Es ist hier wie die Exposition eines Romans. Anfangs
ist alles ruhig. Nichts deutet darauf hin, dass auf Seite 39 ein Unheil hereinbricht.
Am Anfang gibt sich der Autor den Raum, die Schönheit der Landschaft und die
Liebenswürdigkeit der Einwohner zu preisen – trotz übermässigen Anteils an
Touristen und trotz der dadurch verursachten Verkehrsengpässe. Auf Seite 11
fallen dann plötzlich die zahlreichen Busse auf, die polizeilich eskortiert
Richtung Süden brettern. Darin sitzen keine Touristen, man erkennt vielmehr
Einheimische mit Sack und Pack. Was soll das bloss? Langsam wird Spannung
aufgebaut, die Geschichte gewinnt an Fahrt. Jetzt rücken die Jungs mit ihren
schönen Sarongs ins Blickfeld, die gruppenweise und mit umgehängten Gitarren
die Läden abklappern und die Autos zum Stehen bringen. Sie singen und bitten um
Gaben. Wofür? Auf den Schachteln mit einem Schlitz im Deckel, die sie einem
hinhalten, steht in holprigem Englisch: Für
die aus dem Gefahrengebiet des Vulkans Evakuierten. Mittlerweile sollen es
bereits 50 000 Balinesinnen und Balinesen sein, die in Schutzräumen Zuflucht
gefunden haben. Dann glaubt man plötzlich zu spüren, wie die Erde in
unregelmässigen Abständen erzittert und die ungenau gefassten Fensterscheiben
unseres Bungalows zum Klirren bringt. Auf Seite 23 fällt zeitweilig das
Internet aus, wo wir uns doch gerade über die Lage auf unserer Insel erkundigen
wollten. Die Netzwerkverbindung funktioniert dann nach einer Weile wieder, und
wir können jetzt lesen, dass Australien, China und andere Länder für Bali
Reisewarnungen ausgegeben haben. Der Vulkan Agung stehe unmittelbar vor dem Ausbruch.
Das letzte Mal, im Jahre 1963, hatte er über 1300 Menschen getötet.
Noch haben wir die Wahl. Entweder
beunruhigen wir uns und versuchen, den für den Folgetag geplanten Wegflug auf den
Abend vorzuziehen. Oder wir drehen im Swimmingpool noch ein paar Runden und
beschliessen, wo wir das letzte Abendmahl einnehmen wollen. Unser Resort ist,
so erfahren wir auf Seite 27, gut gerüstet. Nicht nur, dass es sich ausserhalb
der unmittelbaren Gefahrenzone befindet, es stehen auch 300 Gasmasken bereit,
um sie im Ernstfall an Gäste und das Personal zu verteilen. Die
Kaderangestellten üben hinter verschlossenen Türen das Aufsetzen derselben. Im
Backoffice und in den Vorratskammern der Küche lagern für den Notfall Tausende
von Litern Wasser und Fertigsuppen. Das Personal verzieht sich gruppenweise in
Räume, wo es Evakuierungsszenarien durchnimmt. Alle lächeln. Momentan ist mir
unklar, auf welcher Seite wir uns befinden. Die 33. dürfte bereits
überschritten sein. Die Hunde bellen über Gebühr. Es regnet. Wir beschliessen,
die Mahlzeit im Hotel einzunehmen.
© Nikolaus Wyss
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3 Kommentare:
Ich werde das im November kontrollieren... vielleicht find ich euch trotz Gasmaske.
Dann flieg einfach wie geplant abm bis dann wird sich der Vulkan noch gedulden...oder bleib und geh in ein Hotel, das noch weiter weg ist...
Sonntag 29. November 2017. 10. 00 h ...Der Vesuv Agung ist aktiv geworden. Riesige rotschwarze Wolken über dem Vulkan. Eindrücklich. Soll ich fliehen?
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