Montag, 25. September 2017

Bali am 25. September 2017 abends um sechs



Es ist hier wie die Exposition eines Romans. Anfangs ist alles ruhig. Nichts deutet darauf hin, dass auf Seite 39 ein Unheil hereinbricht. Am Anfang gibt sich der Autor den Raum, die Schönheit der Landschaft und die Liebenswürdigkeit der Einwohner zu preisen – trotz übermässigen Anteils an Touristen und trotz der dadurch verursachten Verkehrsengpässe. Auf Seite 11 fallen dann plötzlich die zahlreichen Busse auf, die polizeilich eskortiert Richtung Süden brettern. Darin sitzen keine Touristen, man erkennt vielmehr Einheimische mit Sack und Pack. Was soll das bloss? Langsam wird Spannung aufgebaut, die Geschichte gewinnt an Fahrt. Jetzt rücken die Jungs mit ihren schönen Sarongs ins Blickfeld, die gruppenweise und mit umgehängten Gitarren die Läden abklappern und die Autos zum Stehen bringen. Sie singen und bitten um Gaben. Wofür? Auf den Schachteln mit einem Schlitz im Deckel, die sie einem hinhalten, steht in holprigem Englisch: Für die aus dem Gefahrengebiet des Vulkans Evakuierten. Mittlerweile sollen es bereits 50 000 Balinesinnen und Balinesen sein, die in Schutzräumen Zuflucht gefunden haben. Dann glaubt man plötzlich zu spüren, wie die Erde in unregelmässigen Abständen erzittert und die ungenau gefassten Fensterscheiben unseres Bungalows zum Klirren bringt. Auf Seite 23 fällt zeitweilig das Internet aus, wo wir uns doch gerade über die Lage auf unserer Insel erkundigen wollten. Die Netzwerkverbindung funktioniert dann nach einer Weile wieder, und wir können jetzt lesen, dass Australien, China und andere Länder für Bali Reisewarnungen ausgegeben haben. Der Vulkan Agung stehe unmittelbar vor dem Ausbruch. Das letzte Mal, im Jahre 1963, hatte er über 1300 Menschen getötet.
Noch haben wir die Wahl. Entweder beunruhigen wir uns und versuchen, den für den Folgetag geplanten Wegflug auf den Abend vorzuziehen. Oder wir drehen im Swimmingpool noch ein paar Runden und beschliessen, wo wir das letzte Abendmahl einnehmen wollen. Unser Resort ist, so erfahren wir auf Seite 27, gut gerüstet. Nicht nur, dass es sich ausserhalb der unmittelbaren Gefahrenzone befindet, es stehen auch 300 Gasmasken bereit, um sie im Ernstfall an Gäste und das Personal zu verteilen. Die Kaderangestellten üben hinter verschlossenen Türen das Aufsetzen derselben. Im Backoffice und in den Vorratskammern der Küche lagern für den Notfall Tausende von Litern Wasser und Fertigsuppen. Das Personal verzieht sich gruppenweise in Räume, wo es Evakuierungsszenarien durchnimmt. Alle lächeln. Momentan ist mir unklar, auf welcher Seite wir uns befinden. Die 33. dürfte bereits überschritten sein. Die Hunde bellen über Gebühr. Es regnet. Wir beschliessen, die Mahlzeit im Hotel einzunehmen.
  
 

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich werde das im November kontrollieren... vielleicht find ich euch trotz Gasmaske.

Unknown hat gesagt…

Dann flieg einfach wie geplant abm bis dann wird sich der Vulkan noch gedulden...oder bleib und geh in ein Hotel, das noch weiter weg ist...

Tino Steinemann hat gesagt…

Sonntag 29. November 2017. 10. 00 h ...Der Vesuv Agung ist aktiv geworden. Riesige rotschwarze Wolken über dem Vulkan. Eindrücklich. Soll ich fliehen?