Rechtsanwalt Dr. Emil Bösch |
Heute, am 15. Juni 2018, bekomme ich eine E-Mail mit obiger Fotografie meines Vaters. Absenderin ist A., die Tochter der ehemaligen
Lebenspartnerin meines Vaters. Sie wohnt auf der griechischen Insel Hydra, dort, wo mein Vater seinen
Lebensabend verbracht hatte und wo wohl auch diese Aufnahme entstanden ist. Ich
kannte sie bislang nicht.
Wieso bekomme ich ausgerechnet heute
diese Post?, fragte ich mich und erhoffte mir aus den wenigen Einträgen zu
meinem Vater auf Wikipedia neue Erkenntnisse. Und wirklich. Da stand, dass
heute sein Todestag sei. Jawohl, jetzt erinnere ich mich. Er war am 15. Juni
1992 gestorben.
Umgehend schrieb ich zurück und dankte
A. Es sei doch schön, dass sie daran gedacht habe, worauf sie mir zurückschrieb:
Du, ich hatte keine Ahnung, wann
Emil gestorben ist.
Habe einfach heute besonders an ihn
gedacht.
Das ist kein Zufall! Energien!
Unglaublich!
Vater lebt also, macht sich vom
Himmel her bemerkbar und hält A. für das richtige Medium, mir an diesem
speziellen Tag einen Gruss zukommen zu lassen. Gerne grüsse ich zurück. Es ist
der Moment, seiner zu gedenken.
Als er starb, hatte ich weder
Anrecht noch Lust, mir aus seinem Nachlass etwas mitzunehmen. Ich war schliesslich
ein illegitimes Kind, wie so ein Wesen nach altem Familienrecht genannt wurde,
und deshalb nicht erbberechtigt. Ich kam in seinem Testament auch nicht vor.
Mich beschäftigte dies in meinen eigenen Verstrickungen nicht weiter. Einzig
seinen Ring, den man auf dem Bild deutlich sieht, den hätte ich als Andenken
gerne gehabt. Da war aber seine Lebenspartnerin B., die sich in seinen letzten
Lebensjahren in aufopfernder und rührender Weise um ihn gekümmert hatte. Tag
und Nacht. Und als ich sah, dass sie nach Vaters Tod diesen Ring an ihrer Hand
trug, hielt ich dies für durchaus angemessen.
20 Jahre später besuchte ich B., die
weiterhin in Griechenland lebte. Sie war mittlerweile 90, und ich dachte
insgeheim, es sei wohl das letzte Mal, dass wir uns sehen würden. Wir
verbrachten schöne Momente zusammen und tauschten viele Erinnerungen an meinen
Vater aus. Sie erzählte Begebenheiten über ihn, die ich nicht wissen konnte,
und ich freute mich, zusammen mit ihr ein wohlwollendes, liebenswertes und von Dankbarkeit
geprägtes Bild meines Vaters zu zeichnen.
Beim Tee schliesslich beobachtete
sie mich, wie ich einem billigen Plastikdöschen aus dem Warenhaus meine
Herzpillen entnahm. Da erhob sie sich und ging ins Hinterzimmer, um nach
einigen Augenblicken mit einem schönen Silberdöschen zurückzukommen, auf dem die
schwungvollen Lettern E. B.
eingraviert waren, die Initialen meines Vaters. Sie schenkte es mir, worauf ich
in Tränen ausbrach. Als sie sah, wie sehr mich dieses unverhoffte Geschenk
berührte, erhob sie sich noch einmal und kam wenig später mit dem Ring zurück, den
sie mir ebenfalls übergab. Die Erschütterung, die dies bei mir auslöste, führte
mir deutlich vor Augen, welche Bedeutung mein Vater in der ganzen Zeit seiner
Abwesenheit, über seinen Tod hinaus, für mich hatte.
Der Ring übrigens zeigt auf dem
erhöhten Feld in der Mitte ein Tier mit abgewandtem, erhobenem Kopf, das
beobachtend in die Ferne guckt. Es könnte ein Hund sein oder eine Löwin. Dort
ist auch der vollständige Name meines Vaters eingraviert: Emil Nikolaus
Bösch. Seitwärts, als Band rund herum, kann man einen Satz des Zürcher
Reformators Huldrych Zwingli entziffern: Nit fürchten ist der Harnisch.
In der Zwischenzeit ist Vaters Lebenspartnerin B.
gestorben. Ich aber trage den Ring mit Stolz und Freude und erinnere mich
gerne, gerade am heutigen Tag, an meinen Vater zurück.
1 Kommentar:
lieber Nikolaus
das Leben - dein Leben - besteht aus vielen Puzzleteilchen.Die einen leuchten, die andern sind stumpf. Immer wieder erzählst du von einem deiner leuchtenden Puzzleteilchen. Das hier über Nikolaus, "den ersten", hat mich besonders berührt. Es zeigt mir wiederum die Bedeutung der Väter in ihrer Präsenz - oder in ihrer Abwesenheit. PS: Ydra - ein wunderbarer Altersitz! Ich freue mich immer über deine Beiträge!
Angela
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