Bild: Christian Altorfer |
Am Samstag, 4. Juni 1994, beging unsere Genossenschaftsbuchhandlung Bücher-Treff Schwamendingen (1984-2005) an der Winterthurerstrasse 495 ihr zehnjähriges Bestehen mit einem Fest. Vor dem Lokal wurden Tische und Bänke aufgestellt. Grosse Schirme und Plachen schützten vor der heissen Sonne. Das Programm begann mit einem Literaturzmorge. Kaffee und Tee wurden ausgeschenkt. Es gab selber gemachten Zopf und Kuchen. Auf Tischen lagen haufenweise antiquarische Bücher zum Verkauf bereit.
Um 10.30 Uhr lud die Künstlerin Ingeborg Lüscher zum Bücherstechen ein, einer unterhaltsamen Art des Orakelns. Erstaunlich, wie wahrhaftig und treffsicher sich die Sätze erwiesen, die das Publikum in den zufällig ausgewählten Büchern mit einem spitzen Messer aufspiesste. Daraus entwickelten sich einige Gespräche, die sich für einzelne als ziemlich bedeutsam erweisen sollten.
Über Mittag servierten dann die Teilnehmenden des Kochkurses, den mein damaliger Freund Geok-Chai Pang aus Malaysia durchgeführt hatte, für 20 Franken Daging Curry, Sambal Prawns, Nyonya Penang Chicken Curry und andere Köstlichkeiten. Dafür musste man sich aber zwei Tage vorher angemeldet haben.
Um 14.30 Uhr schliesslich las die japanische Schriftstellerin Yoko Tawada, deren witzigen Texte Beobachtungen von den kulturellen, semiotischen und semantischen Unterschieden zwischen dem Japanischen und der deutschen Sprache handeln.
In der Nacht zuvor jedoch erklang der Bockler-Blues. Die Veranstaltung wurde als volkskundlich-schräge Mitternachts-Performance angekündigt. Im Spritzenhäuschen beim Parkplatz auf der anderen Strassenseite, dort, wo sich die Bocklerstrasse mit der Hüttenkopfstrasse kreuzt, dort, wo einmal im Jahr die Kleintierschau stattfand mit preisgekrönten Hasen, Schafen, Ziegen und Hühnern, dort drin wurde von den Nüsslis aus Hüttwilen eine Tribüne errichtet mit Blick auf die Strasse. Darauf fanden vielleicht 60 Zuschauerinnen und Zuschauer Platz.
Bild: Christian Altorfer |
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Ich glaube, niemand konnte so richtig etwas anfangen mit diesem nächtlichen Spuk, und ich hatte für die Aufführung auch keine richtige Erklärung bereit. Doch irgendwie fand der Anlass statt, es gibt sogar Fotos davon. Nach einigen Tagen Katzenjammer begann ich schon davon zu träumen, wie der Bockler-Blues ein nächstes Mal aussehen könnte. Ideen dafür hatte ich schon zur Genüge, und Lucas Niggli schickte mir eine Dankeskarte mit den Worten: «Welch toller Blues!!! S’hett niemert greut, mi hets freut!»
Bild: Christian Altorfer |
Bild: Archiv Nikolaus Wyss |
© Nikolaus Wyss
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