Bis vor fünf Minuten war ich der felsenfesten Überzeugung, die Stadt liege an der Karibik. Für mich gab es nie etwas anderes. Verstörend war einzig, dass das Meer, das ich vom Hotelzimmer aus sah, nicht die für dieses Meer charakteristische blaugrüne Färbung aufwies. Ich dachte, das ist wohl dem Regenwetter geschuldet. Und jetzt, in der Mall des Shopping Centers Multicentro, wo ich mir einen Kaffee genehmige, sehe ich mir zum ersten Mal die Touristenkarte von Panama genauer an. Jemand hat sie mir tags zuvor am Flughafen zugesteckt. Und ich denke noch: jetzt haben sie auf dieser Karte ausgerechnet die Hauptstadt einzuzeichnen vergessen. Dort, wo ich sie ahne, steht Colon. Was soll denn das schon wieder? Erst beim zweiten Schluck Kaffee entdecke ich, dass die Stadt überhaupt nicht vergessen ging. Sie liegt nur woanders: im Süden des Landes, am Pazifik. Kann dies wahr sein? Meine Verblüffung ist komplett. Das Wasser, das ich da draussen sehe, ist der Pazifik! Nicht die Karibik! Nikolaus, wo bist du? Filterwechsel!
Und jetzt überlege ich mir die ganze Zeit, woher mein Irrtum stammen mag. Kann es vielleicht an der unpräzisen Weltkarte liegen, die ich seit Kindsbeinen im Kopf habe? Mittelamerika wird auf der Höhe von Panama sehr schmal. Deshalb auch der Kanal dort. Deckt vielleicht der Punkt, der die Stadt markiert, beide Küstenstreifen ab? Aus der Geschichte weiss ich zudem, dass der Panama-Kanal ursprünglich eine französische Initiative war. Wahrscheinlich schloss ich daraus fälschlicherweise, dass deshalb auch die Stadt eine europäische Gründung sein müsse, ein Tor zum Westen, in die grüne Hölle und zum stürmischen Pazifik hinüber. Noch jetzt, beim Schreiben dieser Zeilen, kann ich mich kaum fassen. Welch ein Irrtum! Ausgerechnet mir, dem Weitgereisten, passiert sowas!
Die gesalzene Butter im Hotel macht so wenigstens Sinn. Es handelt sich um die Marke Anchor (since 1886) und stammt aus Neuseeland. Ich begegnete ihr schon in Hotels von Thailand und Indonesien. Klar doch, der Pazifik! Die Butter musste auf ihrer Anreise nicht einmal den Panama-Kanal durchqueren. So einfach ist das. Jetzt sehe ich die Stadt anders.
© Nikolaus Wyss
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