Freitag, 17. März 2017

Zwei Liter in Tamanrasset

Bild: N.W. an seinem 40. Geburtstag, abgelichtet von Thomas Müllenbach, am
20. Feb. 1989

Gestern brach ich in aller Früh nach Medellin auf, ohne mich vorher geduscht zu haben. Als ich nämlich den Wasserhahn aufdrehte, röhrte mir nur Luft entgegen. Notfallmässig feuchtete ich darauf ein Tuch mit Trinkwasser an, strich mir damit übers Gesicht und verschob die gründliche Reinigung auf meine Ankunft im Hotel von Medellin. Auf der Reise fühlte ich mich aber unwohl. Ich hatte den Eindruck, jeder könne mich riechen.
Mittlerweile entnehme ich der Zeitung, dass da gestern böse Jungs am Werk waren und die Wasserversorgung im Zentrum von Bogota lahmgelegt haben. Sie liessen in einer grossangelegten Aktion die für die Pumpen notwendigen Teile mitlaufen und verkleideten sich dazu in Wächter-Uniformen...
Ein zivilisationskritischer Kommentar würde eventuell darauf hinweisen, wie verwöhnt wir doch sind und wie abhängig wir uns gemacht haben von den Annehmlichkeiten einer geregelten Wasserversorgung. Natürlich sind mir bei allem Ärger solche Gedanken auch gekommen. Mittlerweile krallt sich jedoch ein anderes Bild fest in meinem Kopf. Ich feierte seinerzeit meinen 40. Geburtstag in Algerien, in der Umgebung der Wüstenstadt Tamanrasset. Wir wanderten mit Kamelen in mehreren Tagesmärschen den Hügeln entlang, wo im 19. Jahrhundert Père de Foulcauld angeblich ohne Essen und Trinken jahrelang einsiedelte. Wir schliefen auf dem Wüstenboden und mussten jeden Morgen zuerst die Schuhe ausklopfen, um sicher zu gehen, dass sich dort keine Skorpione versteckt hielten.
Als wir zu unserem befreundeten algerisch-belgischen Gastgeberpaar nach Tamanrasset zurückkehrten, war gründliche Reinigung angesagt. Jeder von uns erhielt dazu einen Krug mit zwei Litern Wasser. Das Erfolgserlebnis bestand darin, dass ich mich nach dieser Wäsche nicht nur von Kopf bis Fuss sauber fühlte, es war auch die Befriedigung, dies mit so wenig Wasser geschafft zu haben. Zurück in der Schweiz pries ich von da weg die restriktive Wassernutzung und komme noch heute für mein Sauberkeits- und Wohlbefinden bestens mit weniger als zwei Minuten Sparduschen aus. Was für ein grosser Unterschied allerdings, wenn aus 2 Litern nur ein paar feuchte Tropfen werden wie gestern hier in Bogotá. Da bleibt der Erfolg vorläufig noch aus...

© Nikolaus Wyss

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