Dienstag, 25. April 2017

Peter M. Wettler - Der Sonnenan-Peter


Peter M. Wettler als Kassensturz-Moderator, long ago
 Persönlich begegnete ich Peter M. Wettler zum ersten Mal im Militär. Ich kannte ihn vom Bildschirm her als scharfzüngigen Präsentator des Kassensturzes, empfand aber kein Bedürfnis, ihm persönlich über den Weg zu laufen. Ich fürchtete wohl aus mir heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen, selber einmal in seine Schusslinie zu geraten, welche ihn in seiner Konsumentensendung so unerbittlich und erfolgreich machte.
Im Militär waren wir eine Gruppe von Journalisten in Uniform. Als offizielle Berichterstatter mussten wir von Bülach aus ein grossangelegtes Manöver begleiten. Wir verfassten täglich Bulletins, die sowohl an die Soldaten als auch an die Presse und an die in Mitleidenschaft gezogenen Bauern und Landbesitzern verteilt wurden. Schliesslich wühlten unsere Panzer deren Äcker auf und zerstörten Wege und Zäune. Zu unseren Aufgaben zählte auch das Festhalten und Weiterleiten der offiziellen Verlautbarungen von Brigadier Ernst Mühlemann und Oberst Christoph Blocher.
Unsere Berichterstattertruppe führte TV-Journalist Balz Hosang. Von Anfang an war jedoch klar, wem in der Gruppe die grösste Aufmerksamkeit zukam. Peter Wettler gab in einer gelungenen Mischung von journalistischer Kompetenz und bravem Soldaten Schwejk den Ton an, brachte uns alle zum Lachen und machte so den Dienst erst erträglich. Ein Kompaniekalb war er aber nicht. Seine Texte waren seriös und gegenüber den Auftraggebern loyal. Doch wir lasen sie in Kenntnis seiner unvergleichlichen, mündlich geäusserten, spöttischen Kommentare mit Schmunzeln, was natürlich den Lesern draussen an der Front verborgen geblieben ist. Was mir auch imponierte und ich nie gewagt hätte darum zu bitten: Bei seinen selbst initiierten Recherchen forderte er ungeniert Fahrer und Jeep an und liess mich an seinen Ausflügen ins Schlachtfeld, zwischen die Fronten und – vor allem – in die Beizen teilhaben. Dort spürte ich seine freundschaftliche Verbundenheit mir gegenüber, von welcher ich allerdings nicht wusste, wie ich sie überhaupt verdient hatte.
Dieses Wohlwollen war auch Jahrzehnte später spürbar, als wir uns in lokalpolitischen Belangen wieder begegneten. Bei Läberli-Rösti im Schlieremer Stürmeierhuus kamen wir zusammen, nachdem er erfuhr, dass ich für den Stadtrat von Schlieren kandidierte. Er weihte mich ein in die Eigenheiten des Limmattaler Polit-Gefüges, analysierte ziemlich präzis die Kräfteverhältnisse und liess auch durchblicken, dass er sich im benachbarten Dietikon für einen ziemlich unbequemen SP-Gemeinderat hielt. Diese Einschätzung stimmte mit seinem Ruf, von welchem mir noch vor unserer Begegnung verschiedene Quellen berichteten, ziemlich überein. Wettler galt als rabautzig, ja unflätig gegenüber seinen politischen Gegnern. Er ertrug es kaum, wenn diese wider besseres Wissen und aus purer Oportunität eine in seinen Augen schädliche Meinung vertraten. Ich jedoch durfte an diesem Mittagstisch einmal mehr seine liebenswürdige, freundschaftliche Seite erleben, auch wenn ich mich seiner Ansicht nach von einer Partei aufstellen liess, die sich ausser ihrem umweltpolitischen Engagement auf der völlig falschen Seite bewegte.
Von da weg figurierte ich auf seiner Mailing-List und erhielt in unregelmässigen Abständen Geschichten und Polemiken zu lesen. Sie interessierten mich nicht immer im gleichen Masse. Mir ging manchmal sein Hang zur Sprachspielerei auf den Keks. Sie stimmten zwar sinngemäss immer, aber nahmen den Aussagen zuweilen etwas die Schärfe. Seine eigene Byline als Kommunikationsberater lautete Leadermacher, Komm-unikat-ionsberater, Medien-enter-t®ainer, Sonnenan-Peter.
Wir tauschten uns auch über Facebook aus. Bei seinen Auseinandersetzungen mit der Sozialdemokratischen Partei schien er mir zu handeln wie angeschossenes Wild. Statt selber dazu Stellung zu beziehen, tat er mir einfach nur leid. Wir luden uns noch ein paar Mal zum Mittagessen ein, einmal nach Dietikon, dann wieder nach Schlieren, und plötzlich traf ich ihn in der Cafeteria des Limmattalspitals. Er liess mich im Ungewissen, wieso er dort zugegen war, das heisst, er spielte es herunter.
Monate später aber erhielt ich eine muntere Einladung zu seinem 70. Geburtstag, was mich einigermassen beruhigte. Schade nur, dass ich wegen Landesabwesenheit daran nicht teilnehmen konnte. In Anbetracht seines kürzlichen Todes reut es mich jetzt, ihm nicht noch einmal begegnet zu sein.

© Nikolaus Wyss

Weitere Beiträge auf einen Click  

Keine Kommentare: