Peter M. Wettler als Kassensturz-Moderator, long ago |
Im Militär waren wir eine Gruppe von Journalisten in
Uniform. Als offizielle Berichterstatter mussten wir von Bülach aus ein
grossangelegtes Manöver begleiten. Wir verfassten täglich Bulletins, die sowohl
an die Soldaten als auch an die Presse und an die in Mitleidenschaft gezogenen Bauern
und Landbesitzern verteilt wurden. Schliesslich wühlten unsere Panzer deren Äcker
auf und zerstörten Wege und Zäune. Zu unseren Aufgaben zählte auch das
Festhalten und Weiterleiten der offiziellen Verlautbarungen von Brigadier
Ernst Mühlemann und Oberst Christoph Blocher.
Unsere Berichterstattertruppe führte TV-Journalist Balz
Hosang. Von Anfang an war jedoch klar, wem in der Gruppe die grösste
Aufmerksamkeit zukam. Peter Wettler gab in einer gelungenen Mischung von
journalistischer Kompetenz und bravem Soldaten Schwejk den Ton an, brachte uns
alle zum Lachen und machte so den Dienst erst erträglich. Ein Kompaniekalb war er
aber nicht. Seine Texte waren seriös und gegenüber den Auftraggebern loyal. Doch
wir lasen sie in Kenntnis seiner unvergleichlichen, mündlich
geäusserten, spöttischen Kommentare mit Schmunzeln, was natürlich den Lesern draussen an der
Front verborgen geblieben ist. Was mir auch imponierte und ich nie gewagt hätte
darum zu bitten: Bei seinen selbst initiierten Recherchen forderte er ungeniert
Fahrer und Jeep an und liess mich an seinen Ausflügen ins Schlachtfeld,
zwischen die Fronten und – vor allem – in die Beizen teilhaben. Dort spürte ich
seine freundschaftliche Verbundenheit mir gegenüber, von welcher ich allerdings
nicht wusste, wie ich sie überhaupt verdient hatte.
Dieses Wohlwollen war auch Jahrzehnte später spürbar, als
wir uns in lokalpolitischen Belangen wieder begegneten. Bei Läberli-Rösti im
Schlieremer Stürmeierhuus kamen wir
zusammen, nachdem er erfuhr, dass ich für den Stadtrat von Schlieren
kandidierte. Er weihte mich ein in die Eigenheiten des Limmattaler
Polit-Gefüges, analysierte ziemlich präzis die Kräfteverhältnisse und liess
auch durchblicken, dass er sich im benachbarten Dietikon für einen ziemlich
unbequemen SP-Gemeinderat hielt. Diese Einschätzung stimmte mit seinem Ruf, von
welchem mir noch vor unserer Begegnung verschiedene Quellen berichteten,
ziemlich überein. Wettler galt als rabautzig, ja unflätig gegenüber seinen
politischen Gegnern. Er ertrug es kaum, wenn diese wider besseres Wissen und aus purer Oportunität eine in seinen Augen schädliche Meinung vertraten. Ich jedoch durfte an diesem Mittagstisch einmal mehr seine
liebenswürdige, freundschaftliche Seite erleben, auch wenn ich mich seiner
Ansicht nach von einer Partei aufstellen liess, die sich ausser ihrem
umweltpolitischen Engagement auf der völlig falschen Seite bewegte.
Von da weg figurierte ich auf seiner Mailing-List und
erhielt in unregelmässigen Abständen Geschichten und Polemiken zu lesen. Sie
interessierten mich nicht immer im gleichen Masse. Mir ging manchmal sein Hang
zur Sprachspielerei auf den Keks. Sie stimmten zwar sinngemäss immer, aber nahmen
den Aussagen zuweilen etwas die Schärfe. Seine eigene Byline als
Kommunikationsberater lautete Leadermacher,
Komm-unikat-ionsberater, Medien-enter-t®ainer, Sonnenan-Peter.
Wir tauschten uns auch über Facebook aus. Bei seinen Auseinandersetzungen
mit der Sozialdemokratischen Partei schien er mir zu handeln wie angeschossenes
Wild. Statt selber dazu Stellung zu beziehen, tat er mir einfach nur leid.
Wir luden uns noch ein paar Mal zum Mittagessen ein, einmal nach Dietikon, dann
wieder nach Schlieren, und plötzlich traf ich ihn in der Cafeteria des
Limmattalspitals. Er liess mich im Ungewissen, wieso er dort zugegen war, das
heisst, er spielte es herunter.
Monate später aber erhielt ich eine muntere Einladung zu
seinem 70. Geburtstag, was mich einigermassen beruhigte. Schade nur, dass ich
wegen Landesabwesenheit daran nicht teilnehmen konnte. In Anbetracht seines kürzlichen Todes reut es mich jetzt, ihm nicht noch einmal begegnet zu sein.
© Nikolaus Wyss
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