Sonntag, 25. Juni 2017

Oh du heilige Babyshower

Der reich gedeckte Party-Tisch
 Als ich kürzlich zum ersten Mal in meinem Leben zu einer Babyshower-Party eingeladen wurde, musste ich zuerst nachschauen, was dieser Anlass überhaupt bedeutet. Ähnlich wie Halloween kamen solche amerikanische Sitten und Gebräuche in meiner Sozialisation nicht vor. Bei mir beherrschten noch der Samichlaus, das Schulsilvester, die Fasnacht und der Osterhase den Jahreslauf. Doch so, wie auch der Computer und das Internet erst im fortgeschrittenen Erwachsenenleben meine Aufmerksamkeit erregten, so gelingt es auch vorgängig fremden Begriffen wie den obgenannten, bei mir zur gegebenen Zeit doch noch Fuss zu fassen. Seit Schlieren, wo gruselig verkleidete Kinder am fraglichen Tag an allen Wohnungstüren anklopfen und Süssigkeiten erbetteln, weiss ich, was Halloween meint, zumindest kenne ich jetzt die Schweizer Version davon.
Und nun findet neuerdings auch die Babyshower Eingang in meinen Wortschatz. Der Hintergrund der Party aber, an welcher ich teinehmen durfte, wich in vielerlei Hinsicht ab von dem, was ich vorher darüber in Erfahrung bringen konnte. Da war der Umstand, dass es sich beim Elternpaar um zwei Männer handelte. Sie leben seit 15 Jahren zusammen. Die beiden liessen mit ihren gespendeten Samen künstlich zwei Eizellen einer sorgfältig ausgesuchten Frau befruchten. Dann wurden diese Eizellen einer Leihmutter eingepflanzt, die jetzt damit irgendwo in den USA im 8. Monat schwanger ist und laut einem herumgereichten Tweed unter dem Gewicht dieser fremden Frucht ziemlich zu leiden scheint. Hart ausgetragenes Geld. Es wird ein Mädchen und ein Bub. Das steht schon fest.
Die Party war bezaubernd. Die zwei Kinderbettchen und der Wickeltisch warten bereits auf ihren Einsatz. Es gab die leckersten Häppchen zu kosten. Musik spielte. Wein, Bier und Spirituosen wurden grosszügig nachgeschenkt, und die herrliche Wohnung mit Blick über die ganze Stadt war schön dekoriert. Ich stiess auf lauter interessante Menschen, welche dieser ungewöhnlichen Schwangerschaft einer abwesenden Leihmutter Wohlwollen entgegenbringen wollten und mit ihrer Anwesenheit freundschaftliche Unterstützung des Vorhabens dieser beiden Männer bekundeten. Als Geschenke brachten die Gäste, wie bei Babyshowers offenbar üblich, Spielzeuge, Kuscheltierchen, Windelvorrat, Fudi-Puder und Bilderbüchlein mit. Ich brachte Champagner...
Das bereits bestens eingerichtete Kinderzimmer
Ich hätte auch gerne Kinder gehabt. Es gab zwischen meinem 35. und 45. Altersjahr Phasen, ich würde sie geradezu als hormonelle Schübe bezeichnen, wo ich viel unternommen hätte, eigene Nachkommen in die Welt zu stellen. Und doch: das Angebot der lesbischen Schriftstellerin, welche dieses Bedürfnis offensichtlich mit mir teilte und mir anerbot, mit den damals zur Verfügung stehenden Methoden ein Kind zu zeugen, lehnte ich ab. Sie hätte das Kind gerne alleine aufgezogen. Das ging mir gegen den Strich. Ich hielt mich für einen guten Vater und hätte es gerne auch allen bewiesen, insbesondere dem eigenen Kind gegenüber. 
Oh du heilige Babyshower. Wie konnte ich es aber zulassen, die vielen Gelegenheiten zu verpassen, wo es auch bei mir zur Zeugung eines Kindes hätte kommen können, durchaus im Einverständnis mit der potentiellen Mutter. Bei K. zum Beispiel, bei E. oder bei U.? - Oder beim speziellen Fall von Cecilia in Cartagena, 1971. Sie kommt in einem Text, der unter dem Titel Wem Gott will rechte Gunst erweisen Erinnerungen an meinen ersten Lateinamerika-Aufenthalt festhält, vor.
Mit der Zeit und bei abnehmendem Bedürfnis, Vater eines selbst gezeugten Kindes zu sein, stellte sich bei mir aber eine andere Familien-Rolle ein, in welcher ich mich über die Jahre immer wohler fühlte. Das Bildmaterial hier unten umfasst drei Familien, in Wirklichkeit aber sind es wohl zehn Familien, bei denen ich als zugewandter Onkel schon adoptiert bin. 
Mal schauen, was bei den erwarteten, in der Retorte gezeugten, Babies aus mir noch wird. Ich glaube, sie bedürfen der besonderen Zuneigung. Doch in Erinnerung an diese Babyshower bin ich mir sicher, dass sich hier genügend Onkels und Tanten einstellen werden...

Teil meiner Familie Panmei anlässlich der Hochzeit meines Freundes Adai (vorne 4.vl) in Tamenglong, Manipur, Indien
Teil meiner Familie Pang in Ipoh, Perak, Malaysia. Dazu hilfreich mein Text dies irae
Teil meiner Familie Castrillon in Buenaventura. Dazu hilfreich der Text Treppauf- und ab in Buenaventura


© Nikolaus Wyss

Weitere Beiträge auf einen Click   


Keine Kommentare: