Mittwoch, 6. Februar 2019

Las Flores oder: wenn ich sterbe


Ich habe mein Wohnquartier in der Stadt nicht mit Bedacht gewählt. Doch jetzt zeigen sich Vorteile der getroffenen Standortwahl. An der Ecke vorne zum Beispiel befindet sich Las Flores, ein verkehrsreicher Platz, wo an unzähligen Ständen kunstvoll gesteckte Blumengebinde für Hochzeiten und Trauerfeiern feilgeboten werden. Dort decke ich mich regelmässig mit Blumen ein, deren Namen mir zwar nichts sagen, die aber schön sind und lange frisch bleiben. So ein Gebinde wird dereinst wohl auch meinen Sarg schmücken, stelle ich mir vor. Für den Ausläufer ist es wenigstens nicht weit, diese Blumenorgie am richtigen Ort abzugeben. Geht man nämlich von meinem Haus aus ein paar Schritte in Richtung Norden, so befindet sich dort an der Carrera 13#69 eine der 27 Filialen des Bestattungsinstitutes Capillas de la Fé mit VIP-Service gegen Aufpreis. Dieses ISO-zertifizierte Institut bietet rund um die Uhr umfassende Begräbnisdienstleistungen an. Oft stehen Trauernde noch abends um halb elf und auch samstags und sonntags verlegen vor dem Haus, um sich von einem Verstorbenen zu verabschieden.
Ich empfehle meinen Hinterbliebenen also, die Hilfeleistung dieses nahen Institutes in Anspruch zu nehmen, auch wenn ein solches Begräbnis nicht grad billig ist. Ich werde in einer Schatulle 3 Millionen Pesos bereitlegen, das sollte für ein bescheidenes Ritual inklusive Sarg reichen. Die Einäscherung kostet dann noch zusätzlich.
Der Weg zum Einkaufen führt mich jeden Tag an diesem stets geschäftigen Trauerhaus vorbei. Was mich dabei immer wieder von Neuem fasziniert, ist das von dieser Institution gewählte Emblem. Wahrscheinlich soll es das flackernde ewige Licht darstellen, aber ich habe noch niemanden getroffen, der darin nicht eine bebende Vagina gesehen hätte. Auch das ist sinnfällig: Von dort startet das Leben, das hiermit sein Ende findet.

© Nikolaus Wyss

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3 Kommentare:

Hans Billwiller hat gesagt…

Wieviel sind 3 Mio.Pesos?

Unknown hat gesagt…

eine herrliche humorvolle Beschreibung von dir, du hast dein Haus nicht willentlich mit so viel praktischer Umgebung ausgesucht...aber sie ist da, wunderbarerweise.

Nikolaus Wyss hat gesagt…

Hans Billwiller: Ca. Fr. 1000.-. Das ist für kolumbianische Verhältnisse sehr viel!