Ich habe mein Wohnquartier in der Stadt nicht mit
Bedacht gewählt. Doch jetzt zeigen sich Vorteile der getroffenen Standortwahl.
An der Ecke vorne zum Beispiel befindet sich Las Flores, ein verkehrsreicher
Platz, wo an unzähligen Ständen kunstvoll gesteckte Blumengebinde für
Hochzeiten und Trauerfeiern feilgeboten werden. Dort decke ich mich regelmässig
mit Blumen ein, deren Namen mir zwar nichts sagen, die aber schön sind und
lange frisch bleiben. So ein Gebinde wird dereinst wohl auch meinen Sarg schmücken,
stelle ich mir vor. Für den Ausläufer ist es wenigstens nicht weit, diese
Blumenorgie am richtigen Ort abzugeben. Geht man nämlich von meinem Haus aus
ein paar Schritte in Richtung Norden, so befindet sich dort an der Carrera
13#69 eine der 27 Filialen des Bestattungsinstitutes Capillas de la Fé mit VIP-Service gegen Aufpreis. Dieses
ISO-zertifizierte Institut bietet rund um die Uhr umfassende Begräbnisdienstleistungen
an. Oft stehen Trauernde noch abends um halb elf und auch samstags und sonntags
verlegen vor dem Haus, um sich von einem Verstorbenen zu verabschieden.
Ich empfehle meinen Hinterbliebenen
also, die Hilfeleistung dieses nahen Institutes in Anspruch zu nehmen, auch
wenn ein solches Begräbnis nicht grad billig ist. Ich werde in einer Schatulle
3 Millionen Pesos bereitlegen, das sollte für ein bescheidenes Ritual inklusive
Sarg reichen. Die Einäscherung kostet dann noch zusätzlich.
Der Weg zum Einkaufen führt mich
jeden Tag an diesem stets geschäftigen Trauerhaus vorbei. Was mich dabei immer
wieder von Neuem fasziniert, ist das von dieser Institution gewählte Emblem.
Wahrscheinlich soll es das flackernde ewige Licht darstellen, aber ich habe
noch niemanden getroffen, der darin nicht eine bebende Vagina gesehen hätte.
Auch das ist sinnfällig: Von dort startet das Leben, das hiermit sein Ende
findet.
© Nikolaus Wyss
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3 Kommentare:
Wieviel sind 3 Mio.Pesos?
eine herrliche humorvolle Beschreibung von dir, du hast dein Haus nicht willentlich mit so viel praktischer Umgebung ausgesucht...aber sie ist da, wunderbarerweise.
Hans Billwiller: Ca. Fr. 1000.-. Das ist für kolumbianische Verhältnisse sehr viel!
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