Mittwoch, 20. September 2023

The Lonesome Cook (Serie 2)

 12. September 

    Die heutige Kocherei des LONESOME COOK mündet in allerlei abwegige Feststellungen. Einige davon sind mir peinlich, andere sind schlicht langweilig. Um mit letzteren anzufangen: das Koch-Setting gleicht sich von Mal zu Mal. Ich improvisiere, was der Kühlschrank hergibt, und zum Schluss sieht es immer gleich aus, schmeckt immer ähnlich und ist eigentlich keiner vertieften Beschreibung wert. Gemüse, Salat, heute Pasta, und ein Anschnitt von Poulet. Beim Anschneiden des Huhns entdeckte ich nämlich, dass das Innere noch nicht ganz durchgegart war. So schnitt ich etwas am Rand ab und legte den Rest zurück in die Pfanne, wo er ein paar Minuten noch weiterschmoren durfte. Doch mit der Foto mochte ich nicht zuwarten, so wenig ich bereit war, die Pasta und das Gemüse kalt werden zu lassen. 

    Das Stückelchen Huhn auf dem Teller bringt mich nun zur Feststellung, die nicht ohne Peinlichkeit kommunizierbar ist. Dazu muss man wissen, dass der Begriff eines "pollo", eines Hähnchens also, hier in Kolumbien auch für attraktive Jungs gebraucht wird, eines Typus Mensch, der durchaus bereit ist, offenherzig sexuelle Freuden mit anderen zu teilen. Und wenn der andere schon etwas älter ist, sagt das Hähnchen auch nicht nein, dafür einen Geldschein entgegenzunehmen. Weiter muss man wissen, dass ausgerechnet heute Chefinterviewer David Karasek von Radio SRF im Rahmen des Mittagsgesprächs die beiden Historikerinnen von der Uni Zürich zum Missbrauchsreport der katholischen Kirche befragt hat, der zur Zeit die Schweiz zu Recht in helle Aufregung und Erschütterung versetzt. Doch statt in den Chor der Empörten miteinzustimmen, denke ich, in den braven Schweizer Durchschnittsfamilien findet doch ein Vielfaches dessen statt, was jetzt an sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche tröpfchenweise bekannt wird. Ist da die landesweite Empörung nicht etwas geheuchelt, weil sie ausser acht lässt, was sich hinter den Kinderzimmertüren der Familien Biedermann alles so abspielt? 

    Statt also die Empörung nachzuvollziehen, fiel mir unstatthafterweise der französische Pornoproduzent Jean Daniel Cadinot ein, der in den 80er und 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Videos mit attraktiven Jungs drehte, die sich einmal in einer Berghütte trafen und sich das andere Mal in einem Pfadfinderlager verlustierten. Ein Video blieb mir dabei in besonderer Erinnerung und poppte ohne meinen Willen ausgerechnet heute während der Radiosendung vor meinem geistigen Auge auf. Die Handlungen spielten nämlich in einem katholischen Konvent. Natürlich waren dabei die Priester keine alten Säcke sondern gutgebaute, junge Männer, denen man es aber wegen der Soutane erst ansah, wenn sie diese hochhoben, um den Jünglingen und Missbrauchsopfern Zugang zu ihrer Lustquelle zu gewähren. 

    Ich schäme mich natürlich dieser unkontrollierten Gedanken, und die Röte steigt mir noch mehr ins Gesicht, wenn ich mich an meinen Wunsch in der Pubertät zurückerinnere, doch in ein Internat zur Schule gehen zu dürfen mit dem unausgesprochenen Bedürfnis natürlich, dabei nächtens in den Schlafräumen allerlei Unwesen zu treiben und erotische Abenteuer zu erleben. Darob vergass und vergesse ich noch heute gerne, dass nicht alle diese Fantasien teilen mochten und mögen, und dass das, was den einen (wie mir) Sehnsucht und Lusterfüllung verhiess, den anderen zuwider, übergriffig und traumatisierend war und ist.

Und ich stehe ratlos dazwischen, wohl wissend, was mehr zu gewichten wäre. Doch statt mir in aller Deutlichkeit vorzustellen, wie übel es den Missbrauchsopfern noch heute ergehen dürfte, entschied ich mich stattdessen herzlos, das mittlerweile durchgegarte Stück Huhn aus der Bratpfanne zu fischen und es mit einem gehörigen Rest von Genuss zu essen. 

    Es gibt Momente im Leben, wo einem der passende Reim nicht einfallen will, wo man sich mit seiner Fantasie aussergesellschaftlich, aussercommonsenslich und ausserordentlich schlecht vorkommt und doch nicht anders kann als irgendwo in reumütiger Grundhaltung abzuwarten, bis man wieder auf sichererem Terrain anlangt.


15. September

    Erst einmal muss ich mich erholen von der Entscheidung, das Mittagessen vom 12. September nicht online auf Facebook gestellt zu haben. Beim Kochen und gleichzeitigen Anhören des Mittagsgesprächs über die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche kam mir, scheint mir, zuviel Unstatthaftes und Ungehöriges in den Sinn ist, um es zu veröffentlichen. So beliess ich meine Gedanken vorerst besser im Giftschrank. Hier auf meinem Blog jedoch befinden sie sich am richtigen Ort...
    Diesmal hingegen war die akkustische Berieselung beim Kochen vergleichsweise harmlos. Heute nehme ich lediglich aus dem täglichen Radioquiz "3von5" die Erkenntnis mit, dass die Tennisschläger von Amateuren im Schnitt breitflächiger sind als diejenigen von Profis. Der Quizkandidat, ein türkischer Goldschmied aus dem Schweizerischen Mittelland, wusste das so wenig wie ich, Entschuldigung Roger. Bei den restlichen Fragen allerdings lag der Türke völlig richtig und darf jetzt mit einem Gutschein von Fr. 108.- aufs Schilthorn reisen.
    Bei mir gab es diesmal Kartoffelstock und (schon wieder) ein Forellenfilet. Es ist nicht gut, im Tiefgefrierfach allzuviele kostbare Proteinen aufzubewahren, denn in letzter Zeit häuften sich die Stromausfälle in der Stadt, und dann kannst du das Zeugs wegwerfen wie neulich die vier Hühnerbrüstchen, die schon nach kurzer Zeit im Abfalleimer zu stinken begannen. Später sah ich sie angekafelt im Vorgarten herumliegen: Unsere Ratten im Keller rissen offensichtlich den Abfallsack auf verköstigten sich mit dem verdorbenen Fleisch.
Ich briet die Forelle an, die Hautseite besonders knusprig, legte das Stück beiseite und briet darauf in demselben Fett feingehackten Lauch und Karottenwürfeli an, löschte das Gemüse mit Weisswein ab, legte nach dem Einkochen das Fischfilet wieder hinein und schloss mit einem Gutsch Rahm den Kochprozess ab.
    Dazu gab es Tomaten- und Gurkensalat, und wieder einmal kam mir in den Sinn, was ich gestern im Supermarkt auch noch hätte kaufen wollen: Dill. - Das mit dem Gedächtnis wird offensichtlich nicht besser, aber ich bin noch nicht bereit, mir deswegen einen Postizettel vollzuschreiben.
    Mittlerweile sang Billie Eilish mit ihrer lasziven Stimme wunderbare Songs. Ich gehöre zwar nicht gerade zu ihrem Zielpublikum, doch sie gefällt mir ausserordentlich gut, vielleicht auch deshalb, weil ich vor längerer Zeit einmal einen Dokfilm über sie gesehen habe, woraus hervorgeht, dass ihr komponierender Bruder am Erfolg dieser jungen Dame massgeblichen Anteil hat. Family business.

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    Auf diese Publikation in Facebook bekam ich von Herrn Hannes Strebel folgendes Feedback: "Super kreative Küche! Das rote Plastic-Set mag praktisch sein, wirkt aber etwas bieder/billig."

    Ich antwortete darauf: "Danke für die Rückmeldung. Ich glaube halt, dass ich punkto Geschmack ziemlich bieder/billig unterwegs bin. Das hat man mir schon bei früheren Gelegenheiten öfters attestiert."

    "Erstaunlich für einen ehem. Direktor einer Kunsthochschule."

    "Die Rolle eines Chefs einer Kunsthochschule ist nicht, tonangebend Kunst und Design vorleben zu müssen. Das Lehrpersonal hat untereinander schon genug Streit, was geschmackvoll und ästhetisch befriedigend ist. Da konnte ich mich jeweils weit zurücklehnen... siehe auch 'Nur schwache Erinnerungen an Luzern'."


16. September

    Aus der Serie THE LONESOME COOK: Heute kochte ich zu den Rhythmen von Prince's "I feel for you" - Ich weiss nicht, ob dieses unglaublich mitreissende Stück, das mich beim Rüsten in die Finger schneiden liess, heute politisch noch korrekt wäre. Denn der Meister singt: "... I wouldn't lie to you, baby / It's mainly a physical thing / This feeling that I got for you, baby / It makes me wanna sing..." , mit anderen Worten, er findet dieses baby einfach geil, er besingt sie wegen ihren Formen und vielleicht auch wegen ihrer Begabung im Bett, und er möchte nichts anderes als Sex mit ihr. That's it. Geht das heute noch? Oder müsste er heute ausweichen und sagen, "du hast eine attraktive Seele, bist eine interessante Person, gehen wir Kaffee trinken, oder möchtest du lieber einen Drink?" und noch weiteres Gelaber von sich geben in der Hoffnung, mit ihr zum Schluss doch noch ins Bett teilen zu können? - Und, das ist selbstverständlich, sie müsste mit einem ausgesprochenen Ja auf sein Vorhaben antworten, sonst wird das heute nix, Meister Prince.
    Ich habe fünfmal hintereinander diesen Song gespielt, bis ich das Gemüse von vorgestern mit zwei Eiern, viel Pfeffer, einem Gutsch Soyasauce und etwas Parmesan vermischt und in einer Pfanne zu einer Art Tortilla angebraten habe. Die Kartoffelwürfeli schüttete ich ins heisse Oel und musste länger als gedacht warten, bis sie Farbe annahmen. In der Zwischenzeit schaute ich mir auf Youtube einige Prince-Auftritte an und erinnerte mich dabei an ein lautes Konzert im Hallenstadion Zürich. Damals beeindruckten mich am meisten seine Tanzkünste, wenn er zum Beispiel überraschend in einen Spagat grätschte, sich darauf rucklos wieder hochstemmte und dazu seine Gitarre zupfte und mit Kopfstimme sang.
    Heute allerdings bin ich auf youtube wieder einmal bei seiner Gitarrensolo-Version von CREAM gelandet und habe dabei seine fabelhafte Stimme, sein unglaubliches Gitarrenspiel und seine Bühnensouveränität bewundert. So geht Kartöffeli frittieren leicht von der Hand. 
    Also zum Schluss muss ich sagen: 1:0 für Prince. Das Essen heute gehörte eher zur Kategorie Ernährung statt zu derjenigen der Esskunst... Ich hoffte, mit etwas Ketchup das Schlimmste noch abzuwenden...
 
* * *
Auf diese Publikation in Facebook bekam ich von Frau Silvia Barbara Haug folgendes Feedback: "Hast du keine Mühe, immer Bilder von vollen Tellern zu posten, im Wissen darum, dass wir in einem Land leben, in welchem mindestens 30% oder mehr mit 1 oder 2 kargen Mahlzeiten überleben müssen? "You're so vain..." (Carly Simon).
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Meine Antwort war die folgende: "Das Merkwürdige ist, dass es Kolumbianer lieben, ihre Speisen abzufotografieren und ins Netz zu stellen. Es vergeht keine Einladung in unserem Haus, an welcher zu Anfang der Mahlzeit nicht das Handy gezückt wird, um einen Schnappschuss zu machen. Ich bin also in guter Gesellschaft. 
Aber wie aus meinen Textlein hervorgehen sollte, schreibe ich  aus Anlass eines vollen Tellers eher über anderes, über meine Befindlichkeit, über mein Unvermögen, meine Fauxpas, meine Einsamkeit etc. 
Dass Hunger hier in Kolumbien ein Thema ist, ist mir wohlbekannt. Deshalb habe ich Sancocho-Lab ins Leben gerufen, eine Suppenküche mit gleichzeitiger Weiterbildung der Beteiligten. In einem Monat machen wir für den nächsten Ciclo ein Convocatorio. Hier noch ein Video des Pilot-Zyklus, mit welchem wir auf (erfolgreiche) Geldsuche gingen."
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Frau Haugs Einwurf provozierte einen weiteren Eintrag auf meiner facebook-Seite. Patrick Stahel schrieb: "Der Mensch braucht auch seine kleinen Freuden im Leben - überall im Sinne der politischen Korrektheit den moralischen Zeigefinger zu erheben, nervt mich gewaltig, Frau Haug!
Und der Song „You‘re So Vain“ von Carly Simon hat einen völlig anderen Kontext: Es geht um ihre Begegnung damals mit Mick Jagger.
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Frau Haug antwortete darauf wie folgt: "Ich lebe seit über 19 Jahren in Kolumbien und habe viele Jahre in Armenvierteln gearbeitet, in welchen eine 7-köpfige Familie 1 Zahnbürste teilt. Das hat mit Ungerechtigkeit und Ungleichheit zu tun, nicht mit politischer Korrektheit oder moralischem Zeigfinger, Herr Stahel. Im Gegenteil. Ich tue im Kleinen etwas dagegen. Leben Sie mal von 2 Dollar im Tag, wenn der Bus zur Arbeit und zurück schon fast so viel kostet. Ich lade Sie gerne mal in eines dieser Armenviertel der Millionenstadt ein, auch wenn sich in viele von denen aus Angst nicht einmal die bestausgerüstete Polizei begibt. Mich nerven Leute, die auf dem hohen Ross sitzen, Herr Stahel. Auf mich trifft das wahrscheinlich nicht zu. 
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Zu mir schrieb Frau Haug auch noch: "Die Mehrheit der KolumbianerInnen, die ein kleinwenig Geld haben, leben von "apariencia". Sie sind bezüglich Handys noch in der pupertären Phase. Überall wird es als Status-Symbol als erstes gezückt, und dann wundern sie sich, wenn es im Bus geklaut wird. Wie sagt eine liebe Freundin aus Manizales stets: "Wir gingen vom Maultier direkt ins Weltall. Dazwischen fehlt alles."  
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Ich fühlte mich veranlasst, Frau Haug und Herrn Stahel folgendes zu schreiben: Eure Ansichten schliessen sich ja nicht ganz aus. Es ist in der Tat problematisch, sich mit Essenszubereitung, leiblichen Genüssen und Tischsitten zu befassen, wenn nur wenige Meter weiter weg Leute am Hungertuch nagen. Ich überlegte mir auch schon, aus Solidarität mitzuhungern. Siehe dazu auch dies. Ob das allerdings verstanden würde, ist eine andere Frage, und ob damit der Hunger der anderen kleiner würde, ist nochmals eine andere Frage. Die Zurschaustellung des eigenen Glücks ist etwas, was man überall beobachten kann. Ich habe in meinem Bekanntenkreis ein paar junge Menschen,  denen es genauso ergeht, wie Silvia Barbara Haug beschreibt. Haben sie aber einmal Gelegenheit, eine Diskothek zu betreten oder bei Crepes&Waffles ein Eis zu essen, so wird das in ihren Reels und Stories minutenlang festgehalten, was auch noch heisst, es wird lieber gehungert als aufs Handy verzichtet, das eben Kontakt bedeutet zur Welt.
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Darauf Frau Haug: "Das ist so. Ich habe viele Bekannte, die haben einen Schrank voller Kleider und billigen Schmuck, aber nichts zu essem im Haus. Für den Ton Herrn Stahel gegenüber entschuldige ich mich nicht. Ich lasse mir den moralischen Zeigefinger nicht bieten. Politisch korrekt war und bin ich allerdings immer. Seit ich 15 Jahre alt bin, engagiere ich mich immer vehement für die Benachteiligten, aber mit "dignidad". Ich bin stolz darauf, denn heute ist niemand mehr politisch korrekt (Martullo, Blocher, Mörgeli, Glarner usw. usw. usw.). Vom Ausland gar nicht zu reden. PS: Ich war acht Jahre lang als Vizeammann der SP mit zuständig für die Brugger Literaturtage, an welchen ich viele hoch interessante Begegnungen hatte."
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Ich: "Niemand muss sich hier entschuldigen. Es ging mir eher um den Tonfall"
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Haug: "Ok. Schlaf gut." 
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Stahel: "Wer nicht zu aller politischer Correctness und den Konsequenzen dieser Woke-Bewegung (alles importiert aus den USA 🇺🇸) gleich ja und Amen sagt, muss noch lange keine SVP wählen!
Ich lasse mir diesen Herbst zwar die SP-Liste einwerfen (weil ich national eine starke SP wichtig finde), was die Champagner-Garde rund um Corine Mauch etc. in den Städten ablässt, finde ich hingegen das Hinterletzte - in Zürich wähle ich deshalb die FDP. Und Sie müssen sich bestimmt nicht entschuldigen, ich aber auch nicht."
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Damit war die Diskussion noch nicht erschöpft. Es meldete sich der treue Stefan Keller mit folgendem Einwurf: "Um vielleicht auf deine Frage zurückzukommen: Mit was für feinsinnigen Ausweichgesprächen und intellektuellen Komplimenten haben wir doch schon vor vierzig Jahren versucht, den Damen politisch korrekt die Reissverschlüsse zu öffnen. Daran ist ganz und gar nichts neu: "Du hast eine attraktive Seele, bist eine interessante Person, gehen wir Kaffee trinken, oder möchtest du lieber einen Drink?"
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Worauf ich mich nicht entblödete, dies wie folgt zu beantworten: "Bei uns Männern ging das schneller. Einzig die Frage stand im Raum, trinken wir das Bier vor- oder nachher..." 
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Stefan Keller: "Tja. Gender gap."


17. September

    Das ist vermutlich für längere Zeit mein letzter Sonntags-Eintrag in der Rubrik LONESOME COOK. Meine Partnerin Joan Danika wird im Laufe der kommenden Woche sehnlichst aus Barcelona zurückerwartet, und das bedeutet unter anderem erhöhte Betriebsamkeit in der Küche und mit Garantie mehrere Gedecke, wofür dann an den grossen Tisch in der Sala gewechselt wird.
Die Bemerkung des facebook-Freundes Hannes Strebel von vorgestern, die Verwendung meines roten Tischsets sei etwas billig und bieder, veranlasste mich, für einmal auf eine grüngelbe Ausführung zu wechseln. Genauso billig, auch aus Plastik, aber eben anderster...
    Da ich gestern beim Betrachten der ZDF heute-show im Bett einschlief, nahm ich mir vor, die Sendung heute zum Mittagessen nachzugucken. (Die AfD beschäftigt - zu Recht - die Deutschen heftig und wird entsprechend auch in dieser Satire-Sendung abgehandelt. Die Partei gibt ja so viel humoristischen Stoff her wie weiland Donald Trump. Das Perfide jedoch ist, dass dies die AnhängerInnen keineswegs davon abhält, an die AfD oder weiland an Donald Trump zu glauben und darin die Verheissung einer glücklichen Zukunft zu erblicken.)
    Auch fürs Mittagessen aufgespart habe ich mir die verschiedenen Beiträge in der hiesigen Tageszeitung El Tiempo zum Tod von Fernando Botero. Immerhin verordnete die Regierung eine dreitägige Staatstrauer. Und vorsorglich öffnete ich, meine Gicht ignorierend, eine Flasche guten Weins aus Chile: einen jungen (2021) Carmenere "Medalla Real" aus dem Hause Santa Rita.
Und plötzlich schossen mir Tränen in die Augen. Ich bin ja eh nah am Wasser gebaut. Aber dieser Salsa-Song, den ich mir früher oft mit Danika anhörte, berührte irgendeine feine Ader heute, just als ich das Wasser für die Ricotta-Spinat-Ravioli aufsetzen wollte. Ich hätte damit das Wasser salzen können: "Dejala Que Corra" von Tirso Duarte. Das Lied handelt von einer Trennung, und der Sänger, der sie beklagt, bringt allen Grossmut auf und lässt die Geliebte gehen, was insofern bemerkenswert ist, als es in der hiesigen Gesellschaft nicht gerade wenig vorkommt, dass der Mann die Frau in einem solchen Falle tötet. Ganz besonders berührten mich die warm klingenden Posaunen ganz am Anfang und in der Mitte des Lieds, kontrastiert von den grellen Trompeten: seelischer Zwiespalt, musikalisch umgesetzt.
    Ravioli brauchen immer etwas länger als gedacht, und ich zupfte in dieser Wartezeit die feinen Scheiben des Serrano, des spanischen Rohschinkens also, auseinander und beseitigte die trennenden Papierchen dazwischen. Man kauft diese teure Delikatesse in 85g bis 100g Packungen und bezahlt mindestens 20.000 Pesos, was ungefähr 4.50 Franken entspricht, für hier ein Vermögen.
    Die Tomatensauce (aus feingehackten Zwiebeln und Knoblauch, abgelöscht mit etwas Weisswein, weil ich keinen Roten offen hatte, aus Kapern, Hühnerbouillon, Lorbeerblättern, geschälten Tomaten, Tomatenpüree und italienischen Gewürzen, vorgemischt von McCormick, Pfeffer, siehe auch hier), köchelte ich gestern für eine Mahlzeit mit unserer Putzfrau. Die Abmachung mit ihr sieht vor, dass sie uns einmal in der Woche aufsucht und das Haus sauberhält, und dass sie dafür, neben dem Lohn natürlich, jeweils auch ein Mittagessen serviert bekommt. Mit der Tomatensause zu den Nudeln gestern war ich etwas grosszügig und behielt einen Rest zurück, den ich heute, grosszügig verfeinert mit Butter, zu den weichgekochten und abgetropften Raviolis schüttete. Gestern gab es übrigens auch gebratenen Blumenkohl und Longanizas unseres Schweizer Metzgers Koller grad um die Ecke. Und Salat natürlich, der auch heute nicht fehlt.
    Ich weiss nicht, was mit unserer Katze los ist. Früher kam sie bei jedem Fototermin brav posieren. Jetzt lässt sie sich nicht mehr erbicken. Ich entschuldige mich dafür bei all denen, die den LONESOME COOK nur deshalb zur Kenntnis nehmen, weil sie einen Blick auf die Katze werfen wollen.

* * *
 Diesmal konnte ich Herrn Strebel vollauf zufriedenstellen. Er schreibt mir: "Ja, das sieht doch schon viel frischer aus, mit dem neuen gelb-grünen Set.
Mit Nikolaus Wyss verbindet mich im Übrigen, dass auch ich bei der heute-show eingeschlafen bin. Das liegt dann wohl eher an der Sendung der zunehmend staatstragenden deutschen Satiriker…"

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@Nikolaus Wyss 

 

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