Montag, 4. September 2023

The Lonesome Cook (Serie 1)

Die Geschichten zu diesen Gerichten erschienen zu verschiedenen Zeitpunkten zum ersten Mal auf meiner Facebook-Seite

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22. Mai 2023

 Grad heute neige ich, aus eigener Betroffenheit, zur Meinung, dass besonders einsame bzw. alleinstehende Menschen gerne Bilder von Sebstgekochtem ins Netz stellen. Heute esse ich, nach Monaten, das erste Mal wieder einmal alleine zu Mittag. Es gab aufgewärmte Tagliatelle mit Salat und einem Glesli Rotwein. Und prompt griff ich zum Handy und lasse jetzt alle wissen, was ich heute gekocht habe. Ist dies Herbeilocken von Gesellschaft? Oder alle wissen lassen, dass man auch alleine genussfähig ist? Rätsel über Rätsel…

 

25. Mai 2023

Schon wieder ein Food-Bild, d.h. ich bin immer noch allein. Joan Danika weilt zur Zeit in Amsterdam und bereitet sich auf ihre Show vom kommenden Samstag vor. (Am Samstag, 17. Juni, 16 Uhr, eröffnet sie übrigens das Festival der Zürich Pride auf der Kasernenwiese.)

Schon wieder Pasta. Diesmal in der Gestalt von Ravioli mit Spinat- und Ricottafüllung (aus dem Pasta-Laden "El Cisne" beim Parque de los Hippies) Die Sauce dazu bereitete ich aus etwas Lauch und den Resten einer Peperoni zu. Köchelte das Feingeschnetzelte in Weisswein gar und reicherte es mit den wenigen durchgekochten Rindfleischresten an, die gestern nach vierstündiger Kochzeit an den Suppenknochen hängen geblieben sind (was wiederum heisst, dass es morgen eine reichhaltige Suppe geben wird und wohl ein weiteres Bild, sollte sich bis dann keine Gesellschaft einstellen, die ein Föteli erübrigen würde). Das Sösseli ergänzte ich gegen Schluss mit ein paar Kapern, etwas Petersilie und mit einem Gutsch Vollrahm.

Schon wieder ein Glas Rotwein, immer noch aus derselben Flasche vom letzten Mal. Es regnet momentan in Strömen hier in Bogotá, und ich werde mir nach der Mahlzeit ein Nickerchen gönnen.
Neu: das andere Design der Serviette und etwas Kerzenschein...
 
27. Mai 2023
Und hier ist die angekündigte Gemüsesuppe mit der vorgestern vier Stunden lang eingekochten Fleischbrühe aus Rinderknochen. Ich briet dazu noch getrocknete Brotwürfeli in Butter mit etwas Knoblauch und Petersilie an und verteilte diese über die Suppe. Nachher gab es ein paar Hödöpfeli, unter welche ich die übriggebliebene Sauce der gestrigen Ravioli mischte. Eigentlich war dazu ein Schluck Bier vorgesehen, doch der Kühlschrank gab keines her. So gab es halt Wasser. Den Salat übrigens verschob ich aufs Abendbrot, wovon es aber keine Bilder gibt, weil ich mich da in angenehmer Gesellschaft befand. Ich mache nur Essenshelgeli, wenn ich allein zugegen bin. 
 
29. Mai 2023
Serviettli-Design gewechselt. Heute mit Bier. Salm mit gerösteten Ingwer-Stäbli. In Butter und Petersilie geschwenkte Salzkartoffeln. Gemüsemischung aus dem Supermarkt, eingeköchelt mit Weißwein und indischer Gewürzmischung. Salat mit Kürbiskernen. Meine Vinaigrette ist mittlerweile stadtbekannt. Kürzlich sprach mich ein Unbekannter in einer Bar an, wann ich ihn denn einladen würde, um meine Salatsauce zu kosten… Dazu "Echo der Zeit" gehört, Erdogans Sieg u.a.m.
 
3. Juni 2023
Heute: Wienerli in Gemüsecreme-Suppe. Erinnerungen an meine früheste Kindheit bestimmten die heutige Menüwahl:
Bei uns zu Hause gab es in den 50er Jahren kaum je Fleisch. Meine berufstätige Mutter konnte es sich schlichtweg nicht leisten. Nur samstags kochte Hedy aus Köln eine Kartoffelsuppe. Sie lebte bei uns und mahnte mich stets, alles aufzuessen, was auf den Teller kommt. Die Suppe wurde jeweils mit einem Wienerli pro Person angereichert. - Diese prägenden Erfahrungen führten dazu, dass ich seit jenen Tagen kein Wienerli mehr in meinen Mund führen mochte.
Und jetzt das: bei uns um die Ecke geschäftet seit 45 Jahren der Appenzeller Metzger Koller. Seine Schüblinge, Frankfurterli, Lioneser Redli und Weisswürste sind in ganz Bogotá Legende. Als ich mich heute früh entschloss, die Resten der Gemüsesuppe aufzuwärmen, kamen mir diese Kindheitserinnerungen hoch, und ich entschloss mich, die Suppe mit ein paar Kartoffeln und zwei Wienerli anzureichern. Bevor ich jedoch die Würstchen in der Suppe heiss machte, mixte ich das Gemüse mit den weichgekochten Kartoffeln klein.
Irgendwie schmeckte mir das Ganze noch nicht so ganz. Deshalb fügte ich noch einen Schuss Vollrahm hinzu und würzte mit einigen Kapern, die im Verlauf meines Lebens hier in Kolumbien zu einem festen Bestandteil der Speisenverfeinerung wurden.
Nun gut, wie schon Hedy einforderte, ass ich brav den ganzen Teller auf, aber ich glaube nicht, dass ich mir in meinem Restleben nochmals Wienerli antun werde. Sie sind im Geschmack zu eindimensional. Die Suppe hätte ohne dieses Fleisch wesentlich besser geschmeckt...
  
6. Juni 2023  

Dazu folgendes: Ich werde ja hier in Kolumbien des öfteren um Darlehen und Unterstützung angegangen. Doch momentan verunmöglicht es mir meine angespannte Finanzlage, darauf einzugehen, was für mich insofern erleichternd ist, als ich nicht irgendeinen Vorwand brauche, um das Begehren abzulehnen. Was ich aber im Gespräch oder über Whatsapp immer hinzufüge: du kannst bei uns vorbeikommen. Etwas zu essen gibt es bei uns immer. Zu diesem Behufe halte ich im Tiefgefrierer stets ein paar Portionen Böhnli bereit, im Dampfkochtopf an einer Tomatensauce cremig zubereitet und mit ein paar Rüeblistückli verfeinert.
Heute wollte Jaime von meinem Angebot Gebrauch machen, nachdem ich ihm den Wunsch nicht erfüllen konnte, sein nächstes Semester an der Uni finanziell zu ermöglichen. Es passte mir insofern in den Kram, als dass in der vergangenen Nacht für ein paar Stunden wieder einmal der Strom ausgefallen ist, und die im Tiefgefrierer gelagerten Speisen schon am Auftauen waren. Doch dann meldete sich Jaime ab (für ein Handy reicht meistens das Geld dann doch), und jetzt gibt es halt ein weiteres Mal ein Lonesome-Essensbild. Ich raffelte dazu eine Kartoffel fein und röstete sie in etwas Oel. Das Resultat war eine knusprige Waffel. Eigentlich bereitete ich zwei Waffeln zu, doch die erste ass ich noch vor dem Auftischen auf, so fein schmeckte sie. Dazu wie üblich etwas Salat, diesmal mit gekochten Randen angereichert. Ich würzte sie vorgestern beim Kochen mit etwas Kümmel. Der gibt ihnen eine besondere Note.
 
9. Juni 2023
Seit ich unsere Katze namens CUAL einem gewissen Abmagerungs-Regime unterziehe, streicht sie unentwegt um die Töpfe und kann nicht verstehen, wie jemand vegetarisch glücklich werden kann. Parat zum Naschen wäre sie schon...
Heute mischte ich den Saft der übrig gebliebenen Randen in die Resten von Reis und briet das Ganze etwas an. Der Kümmel, den ich den Randen zum Kochen beigegeben hatte, entfaltete plötzlich seinen zweiten Frühling und duftete herrlich über den ganze Reis hinweg. Dazu gab es grüne Bohnen, gewürzt mit wunderbarem Bohnenkraut, das mir Flurin Capaul vor schon bald zwei Jahren anlässlich einem meiner Zürich-Besuche geschenkt hat. Erst später fiel mir ein, dass ich über den Reis noch etwas Parmesan hätte streuen können. Sei's drum. Weg ist weg. Und nun leert sich langsam der Kühlschrank, während ich den bereits abgestaubten Koffer bereitstelle, um ihn allmählich für meine Reise nach Europa mit ein paar Habseligkeiten zu füllen. Nur mit wenigen, es soll ja dort Sommer sein.
 
13. Juni 2023
In Vorwegnahme des Lounge-Feelings heute Abend auf dem Flughafen El Dorado in Bogotá genehmigte ich mir heute Mittag bereits einen Gin Tonic. Dazu bereitete ich zu und ass ich, was der Kühlschrank noch hergab, denn dort aufbewahren an Verdeblichem wollte ich nichts nach der Erfahrung der vielen Stromausfälle in letzter Zeit. Also, da fand ich ein einsames Tomätli, dem ich die Rolle eines Salats zukommenliess. Dann wärmte ich den Rest der grünen Bohnen auf und bereitete zum zweiten Mal krokante Waffeln aus geraffelten Kartoffeln zu. Herzstück des Mittagsmahls war allerdings eine schlaffe Karotte und eine angeschnittene, halbe Zwiebel, die keine Lust mehr verspürte, meine Augen zu reizen. Ich röstete dieses Gemüse und legte noch ein paar Scheiben Ingwer hinzu. Des weiteren fand ich im Fach schon arg angegrauten Blattspinat, den ich wusch, kleinschnitt und unter Entfernung allzu unappetitlicher Blätter der Bratpfanne beifügte. Ein hart gekochtes Ei, in Stückchen geschnitten, wurde als Krone obenauf gesetzt. Ich muss sagen, alles schmeckte wie frisch. Als Dessert, und darauf hätte ich im Nachhinein gerne verzichtet, meinte ich, das Mandarinen-Eis noch aufbrauchen zu müssen. Es litt am meisten unter den Stromausfällen, wurde zweimal wässrig und dann wieder steinhart. Das ginge ja alles noch, aber ich wette mit jedem, der will, dass dieses Eis noch nie in Berührung mit einer Mandarine gekommen ist. Beim Verspeisen kamen mir meine Velofahrten in den Sinn, die ich vor bald 40 Jahren von Schwamendingen aus unternahm, und die mich oft genug zum Greifensee über Dübendorf führten, wo aus den Fabrikanlagen von Givaudan Tag für Tag andere Düfte entstiegen und Nase und Gaumen schmeichelten. Ich bin sicher, Mandarinen-Aroma war auch darunter... 
 
24. Juli 2023
Kaum zurück in Bogotá und bevor noch alle Koffer ausgepackt waren, habe ich rote Böhnchen in Wasser eingeweicht. Ich musste nach einigen Rotweintouren und nach ausgiebigem Rotfleischkonsum (natürlich an erster Stelle Kalbsläberli und Röschti) in der Schweiz und in Deutschland dringend etwas gegen meine schmerzhafte Gicht unternehmen. Die krummen Hände taten mir von Tag zu Tag mehr weh, zuweilen weckten sie mich sogar des Nachts und liessen mich nicht weiterschlafen.
Also kochte ich am folgenden Tag Böhnchen auf Vorrat, damit die Zufuhr von Proteinen ohne Fleisch für eine Weile gewährleistet war. Gestern mixte ich dann einen Teil davon und machte einen Aufstrich für Tacos. Doch soviel Tacos konnten wir gar nicht essen, um den Aufstrich zu bodigen. Als heute früh herauskam, dass ich die Serie THE LONESOME COOK fortsetzen muss, bereitete ich mir etwas Pasta zu und mischte den "Aufstrich", verfeinert mit Butter und Currypulver, als Sauce darunter. Darüber etwas Reibkäse Typus Parmesan, den man ja hier neuerdings nicht mehr so nennen darf, weil nur noch der Original-Parmesan aus Norditalien als Parmesan durchgeht, und meiner ist kolumbianischer P... aus der Molkerei Alpina in Sopó...
Dazu Salat. Obendrauf ein paar in Essig und Zuckerwasser eingeweichte Zwiebelringe. Und KEINEN Wein. Auch KEIN Bier. Die Fingergelenke verdanken es schon ein bisschen, weil ich bereits die Tage zuvor vegetarisch und alkoholfrei unterwegs war. Sie schmerzen jetzt nur noch bis zum Einschlafen. Dann ist Ruhe.
 
3. September 2023
Am vergangenen Sonntag stellte ich mich darauf ein, allein zu Mittag zu essen, weil mein Schätzeli ankündigte, über Nacht in einer Bar hinter der Theke noch ein paar zusätzliche Pesos zu verdienen und deshalb den Sonntag fürs Ausschlafen reservierte.
Ich kochte am Vorabend Linsen (mit den Resten einer seit Tagen vor sich hindarbenden Gemüsesuppe) und den im Kühlschrank schlaff gewordenen Mangold (zuerst bräunte ich ein paar Knoblauchzehen an, dann schüttete ich den verkleinerten und vom Waschen nur schlecht abgetropften Mangold ins heisse Olivenöl, dass es spritzte). Kochzeit für beides: ca. 45 Min. Auch Kartöffelchen kochte ich am Vorabend auf Vorrat weich, und zur Krönung von das Ganze lag eine Tranche Forelle im Kühlschrank bereit. So sollte das Fertigkochen tagsdarauf keine Mühe bereiten.
Am Sonntag dann schwenkte ich bereits die geschälten Kartoffeln in den glänzig angebratenen Zwiebeln, als mein Schätzeli überraschenderweise doch auftauchte. Bevor es mir erzählen konnte, was der Hintergrund seines frühen Erscheinens war, unterbrach ich eilfertig meine Kocherei und rannte schnell zum Supermarkt, um ein zweites Forellen-Filet zu erstehen. Und wie immer regte ich mich dann beim Warten an der Kasse über die in die Länge ziehende Behäbigkeit der Kunden vor mir auf, die nach Kleingeld in ihrem Portemonnaie kramten und dabei noch einen Schwatz mit der Kassiererin abhielten, um die Zeit etwas auszufüllen und ihr Defizit an Kommunikation etwas zu verkleinern.
Zurück vom Notkauf wärmte ich Linsen und Mangold auf und setzte das Anbraten der Kartoffeln fort. Ganz zum Schluss waren dann die beiden Fischfilets dran, gewürzt mit etwas Estragon.
Im Supermarkt entdeckte ich übrigens gelbe Zitronen, die hier sonst eher selten anzutreffen sind. In Kolumbien werden zum Kochen als auch für die Limonade normalerweise die einheimischen, kugeligen, grünen Limetten verwendet.
Für eine anständige Tischdekoration allerdings reichten weder Zeit noch Energie. Doch die Anwesenheit meines überraschenden Herzbesuchs tauchte alles in appetitliches Licht. Servietten brauchte es dazu nicht.
Dazu gab es noch Salat und für mich ein Bierchen. (Danke, die Gicht ist unter Kontrolle...)
 
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©Nikolaus Wyss
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