Nächtliche Taxifahrt bei offenen Fenstern... |
Da kommst du nach einer überlangen Flugreise, deren
Unterhaltungswert insofern Erwähnung verdient, als sich die Toiletten der
Business Class in Sichtweite der Economy-Passagiere befinden, während
diejenigen der Letzteren meilenweit hinten im Flugzeugrumpf installiert sind,
was zur Folge hat, dass die Passagiere der Holzklasse in ihrer Dringlichkeit lieber
nach vorne streben und so den besser bezahlenden Vornesitzenden deren WCs
besetzen, was je nach Laune des Kabinenpersonals Belehrungen und Rückweisungen
zur Folge hat, du kommst also übernächtigt und mit Mundgeruch am Flughafen von Bogotá
an, fröstelst nicht nur wegen des rauen Klimas hier, sondern auch aus
Übermüdung, und steigst nach langem Warten vor der Pass- und Zollkontrolle und
nach der ultimativen Gepäckdurchleuchtung, deren Sinn mir bis heute noch nicht
einleuchtet, denn die Kontrolleure schauen kaum auf den Bildschirm, endlich in
ein Taxi. Die rolos, so nennt man die
Einheimischen hier, frieren auch bei frostigen Temperaturen nicht, und um dies
den Ankömmling spüren zu lassen, halten die heissblütigen Taxichauffeure aus
Prinzip ihre Fenster auch bei höherem Tempo ganz offen und unterstreichen ihre
Furchtlosigkeit gegenüber der Kälte zusätzlich mit dem Tragen von dünnen
Leibchen oder Kurzarmhemden. Das ist also mein Bogotá, voll von
Temperatur-Heroen, und ich komme mir schon sehr verweichlicht vor, den Fahrer
zu bitten, die Fenster auf einen Spaltbreit zu schliessen. Um meinen
Imageschaden in Grenzen zu halten, beginne ich eine Konversation übers Wetter.
Ob es denn die letzten Tage geregnet habe, frage ich, obwohl ich weiss, dass es
in der Geschichte dieser grossen Stadt auf 2600 Metern über Meer wohl noch kaum
je einen Tag gegeben hat, wo der Himmel nicht irgendwo Wasser gelassen hätte.
Dann auf der Fahrt die Feststellung,
dass alles noch gleich ist. Die Kleinbusse stossen mehr denn je ihre dreckigen
Abgase in die Luft und erbringen so den rollenden Beweis, dass es hier nach
Korruption stinkt. Das Gesetz sieht nämlich durchaus vor, dass die Fahrzeuge
regelmässig einem Abgastest unterzogen werden. Den Stempel zur Weiterfahrt
bekommen sie aber mittels einer kleinen Aufmerksamkeit gegenüber den Beamten
und sicher nicht aufgrund der Testergebnisse.
Nein, nicht alles ist gleich seit
meiner Abreise vor zwei Monaten. Die Strassen weisen weniger Löcher auf,
zumindest auf den grossen Avenidas. Papst Franziskus sei Dank. Für seinen
Besuch vor ein paar Wochen scheint die Stadt sich herausgeputzt und die ärgsten
Schlaglöcher beseitigt zu haben. Die Ankunft seiner Heiligkeit verpasste ich,
profitiere aber noch von deren Spuren. An den öffentlichen Messen hätten
unglaublich viele Leute teilgenommen, erzählt der Taxichauffeur, aus allen
Landesteilen seien sie in die Stadt geströmt. Una grande fiesta, wohl unserer Street
Parade vergleichbar, was die Massen angeht. Seither schwebt ein feiner,
doch leider kaum mehr wahrnehmbarer Heiligenschein über Santa Fé de Bogotá.
Möge er alle Probleme mit einer Lösung segnen. Seit 60 Jahren zum Beispiel
spricht man hier vom Bau einer Stadtbahn, einer Metro. Jede Regierung versprach
sie und biss sich daran die Zähne aus. Kein Meter wurde je gebaut. Nächstens
sind Wahlen. Friedenspräsident Juan Manuel Santos tritt ab. Und womit bewerben
sich die hoffnungsvollen Kandidaten? Sie klauben die verstaubten Pläne dieser
Metro hervor und fordern einmal mehr den Bau derselben, wobei es immer noch
nicht klar scheint, welche Streckenabschnitte überhaupt oberirdisch und welche
unter dem Boden verlaufen sollen. Niemand nimmt das mehr ernst. Es scheint,
dass es sich in Bogotá mit dem ruinierten Ruf einer Metropole ungenierter lebe.
So bin ich also angekommen und lege
zur Vorbereitung des folgenden Tages dicke Socken und einen Pullover bereit.
Doch schon morgens um zwei ziehe ich sie mir über. Ich kann nicht schlafen. Die
Zeitverschiebung tut ihr Werk. So spiele ich halt Solitaire im Bett.
© Nikolaus Wyss
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