Meine beiden Grossmütter brannten sich in meinen Erinnerungen als
fabelhafte Köchinnen ein. Insbesondere ihre Dessert-Cremen waren grosse Küche.
Solche Leckereien entschädigten mich jeweils für die etwas langweiligen
Besuche, fürs Anprobieren der Stricksocken und für die feuchten Willkommens-
und Abschiedsküsse.
Die eine Grossmutter wohnte in St. Gallen, die andere in Biel. So
fabelhaft die Süssspeisen, so unterschiedlich aber ihre Reaktionen zum Schluss.
Wenn ich in Biel satt war und noch etwas Creme in der Schüssel übrig liess, so
huschte ein befriedigtes Lächeln über Grossmutters Gesicht. Denn meine
Sättigung bestätigte sie in ihrem Bestreben, genug Creme bereitgestellt zu
haben. Sie wollte doch nicht den Eindruck aufkommen lassen, sie sei geizig und
der Bub werde hungrig vom Tisch entlassen. Resten bestätigten ihre
Grosszügigkeit und Gastfreundschaft.
Wehe aber in St. Gallen. Dort war das Stehenlassen von
Cremeresten der sichtbare Beweis, dass mit der Süssspeise etwas nicht in
Ordnung war. Wie sonst wäre zu erklären, dass ich nicht die ganze Portion
verschlang, so jung und gierig ich doch war? Diese Grossmutter löcherte mich
dann mit Fragen, ob sie etwa zu wenig Zucker hineingeschüttet habe? Oder ob es
an den eingemischten Früchten gelegen haben mochte? – Meine Antwort, ich hätte
einfach genug gehabt, konnte sie nicht gelten lassen.
Diese Geschichte hat keine
Moral. Beide Grossmütter meinten es gut und taten ihr bestes, mich zu
verwöhnen, jede auf ihre Art.(Erschienen als Editorial im Kirchenboten Schlieren, August 2016)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen