Dienstag, 13. Dezember 2016

Statt "Tschüss"

Bei uns ist es selten geworden, dass wir anderen zum Abschied Gottes Segen wünschen. Wir sagen vielleicht „Adieu“, was eigentlich nichts anderes bedeutet als dies. Aber eben, der Name Gottes wird dabei nicht in den Mund genommen. Dieu ist französisch und wirkt weniger schwer. In der Sprache des Alltags findet man allenfalls noch Formulierungen wie „Gottseidank“, doch um dies auszusprechen, muss man nicht unbedingt gläubig sein.
Ganz anders im Internet. Wenn ich mit jungen Freunden in Südamerika oder Afrika chatte, fällt mir auf, dass viele von ihnen Gott in einer viel unmittelbareren Weise ansprechen als wir. Sie rufen ihn als Helfer in der Not an und erbitten ihn um Lösungen. Und selbstverständlich werde ich zum Schluss der Unterhaltung mit „bendiciones“ entlassen, also mit einer ganzen Portion Segnungen. Mich rühren solche Wünsche auf eine Weise, wie ich sie nicht empfinde, wenn sich jemand von mir nur mit „Alles Gute“, „Ciao“ oder „Tschüss“ verabschiedet.
Klar, auch bei diesen transkontinentalen Chats übers Netz ist viel Formelhaftes dabei, und nicht alles wird ernsthaft so geglaubt, wie es formuliert wird. Auffällig ist aber doch der unmittelbarere Zugang zum Lieben Gott. Er gehört zumindest im Sprachgebrauch in einer Weise zum Alltag, wie wir uns das in unseren Breitengraden nicht mehr gewohnt sind. Deshalb erschrak ich auch kürzlich, als sich in einer Versammlung eine Rednerin mit dem Wunsch verabschiedete, Gottes Segen möge uns begleiten. Nachher nahm ich mich an der Nase. Ist es nicht ein Privileg, diesen Wunsch mit auf den Weg zu bekommen? Ich erinnerte mich plötzlich an meine herzerwärmenden Chats im Internet, die ich nicht missen möchte.
(Erschienen im Kirchenbote Schlieren, Juli 2016)

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