Y. erwischte mich auf dem falschen Fuss. Keinen Augenblick
hatte ich an eine solche Einschätzung unserer Begegnung gedacht. Ich selber verbinde
Schweigen erst einmal mit Verlegenheit, mit Desinteresse, eventuell mit
passiver Aggression. Positives Schweigen stellt sich für mich erst dann ein,
wenn man sich gut versteht, wenn man weiss, was das Schweigen bedeutet, nach
Monaten vielleicht, nach Jahren. Dass aber meine Wortlosigkeit gegenüber diesem
fremden Mann einen Wohlfühl-Aspekt aufwies, ja eine Auszeichnung unseres
Verhältnisses darstellte, das hat mich geradezu umgehauen. Ich kannte ihn doch
gar nicht, und nach diesem Spaziergang hätte ich ihn auch gar nicht noch besser
kennenlernen wollen.
Gleichwohl stellt sich heute bei mir Dankbarkeit ein, wenn ich an Y.
denke. Immerhin zeigte er mir, dass Wortlosigkeit mehr bedeutet, als ich für
möglich gehalten hätte. Die Begegnung lehrte mich, mit Urteilen vorsichtiger zu
sein und auch unbeabsichtigte Wirkungen zu bedenken.
(Erschienen im Kirchenboten Schlieren, Sommer 2016)
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