Was bei diesen Beurteilungen etwas verloren geht, ist das
subjektive Stadt-Erlebnis der Bewohnerinnen und Bewohner. Sie sehen ihre
Umgebung in anderer Weise als zufällige Besucher. Ihnen ist wichtiger, wo die
nächsten Einkaufsgelegenheiten zu finden sind als die Farbe der Fassade. Sie
legen mehr Wert auf die Verbindungen des öffentlichen Verkehrs und die
Verfügbarkeit von Parkplätzen als auf allfällige Kunst im öffentlichen Raum.
Mich beeindrucken immer wieder Erzählungen von Menschen, welche
ihre Jugendzeit in Stadtteilen verbracht haben, welche für den flüchtigen
Touristen als unattraktiv gelten. In Schwamendingen zum Beispiel, oder in
Schlieren. Sie berichten von einer Umgebung, die ich nicht zu sehen vermag. Sie
erinnern sich an tolle und verrückte Begebenheiten, die im Kopf der Betroffenen
Spuren hinterlassen haben, die sich aber an den Gemäuern und am Rasen vor den
Häusern nicht ablesen lassen.
Dazu gehört der erste Kuss. Fast jeder weiss noch ganz genau, wo
er stattgefunden hat, er gehört sozusagen zu den Schlüsselerlebnissen jeder
Biografie. Der Busch oder der Hauseingang oder das Vordach wandeln sich für sie
zum Hotspot, und das ganze Quartier wird für sie ein Leben lang in einem ganz
besonderen Licht erleuchten, unabhängig davon, ob es für uns anderen als
attraktiv gilt oder nicht.
(Erschienen im Kirchenboten Schlieren, Herbst 2016)
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