Der König
lag wieder einmal mit einer Lungenentzündung im Spital. Alle machten sich
grosse Sorgen um ihn. Wie gerne hätte man ihn bei diesem Event dabei gehabt. Es
ging um die Verleihung des Pazifischen Literaturpreises, welcher im Jahr 2012 einem
philippinischen Schriftsteller zugesprochen wurde. Die kulturelle und
akademische Elite Bangkoks hatte sich zu diesem Behufe im Hotel Mandarin Oriental eingefunden und bekam bei Wiener Salonmusik zum Empfang Häppchen und
Drinks, serviert von Jungs und Mädels in exotischen Livrées (Video).
Ich kam im
Schlepptau einer Journalisten-Freundin aus früheren Zeiten und musste mir auf
dem Hinweg am Strassenrand noch schnell eine Krawatte besorgen. An die Qualität
des Champagners mag ich mich nicht mehr erinnern und an die Small-Talks auch
nicht. Aber die darauf einsetzenden Vorgänge blieben in meiner Erinnerung
haften, als ob sie gestern stattgefunden hätten.
Nach einer
Weile verschob sich die Gästeschar in den reich dekorierten und mit den
Staatsflaggen der beteiligten Nationen ausgestatteten Festsaal, nicht ohne
vorher noch eine Sicherheitsschleuse zu passieren, was zu einem respektablen
Stau im Treppenhaus führte. Beim Warten nahm ich allerlei Parfum-Gerüche, aber
auch schlechten Mundgeruch wahr. Dann setzten wir uns an runde Tische und harrten bei Wienerwalzer- und Tango-Klängen der Dinge, die im Programm angekündigt waren.
Man hiess
mich, den Fotoapparat zu versorgen, dann liess man niemanden mehr aus dem Saal.
Glücklich die Kenner, die vorher noch schnell aufs Klo gegangen sind. Wir wurden
also in diesem Saal festgehalten, einzig einige Sicherheitsbeamte in
weisser Fest-Uniform schwirrten noch herum und liessen in ihrem geschäftigen Tun
erahnen, dass mit der Ankunft des königlichen Stellvertreters, Kronprinz Vajiralongkorn, dem heutigen König Rama X, der eigentliche Anlass bald beginnen
wird.
Ratsch, da
gingen die Türen auf, ratsch, alle im Saal erhoben sich von ihren Stühlen,
ratsch stimmte die Hofkapelle die Nationalhymne an, und ratsch bildeten die
Sicherheitsbeamten eine Gasse, durch welche der hochdekorierte
Prinz mit Gefolge eintraf und zu Tische
schritt. Sein Tisch war rechteckig und stand erhöht. Während des Diners konnte
der Prinz so auf seine untertänige Festgesellschaft hinunterblicken. Wir aber
konnten ihm, seiner hübschen dritten Gattin und weiteren Angehörigen des Hofs, beim Essen
zusehen.
Am meisten
beeindruckte mich, wie leer und unbeteiligt der Prinz mit seiner schrägen Mundhaltung
in den Saal blickte. Er sprach kaum, weder mit seinesgleichen noch mit sonst
jemandem. Nahm er überhaupt einen Bissen zu sich, oder wartete er nur ab, bis
er endlich wieder gehen durfte? Das Servierpersonal näherte sich ihm von hinten
auf den Knien, niemand stand in seiner Nähe aufrecht.
An diesem
Abend wurde mindestens fünfmal die Nationalhymne intoniert. Nach dem Essen gab
es Ansprachen und Preisübergabe. Als der Prinz aufstand und sich zum Gehen
anschickte, erhob sich einmal mehr der ganze Saal. Dann wurden wir wieder
eingesperrt, bis die königliche Gesellschaft das Hotelgelände verlassen hatte.
Nachtragen
will ich noch, dass ich auf der Heimfahrt den Taxifahrer bitten musste, schnell
anzuhalten. Mir wurde plötzlich so elend und schlecht, dass ich die feinen
Köstlichkeiten des Abends in den Strassengraben auskotzte. – Später im
Hotelzimmer gönnte ich meinem Magen noch ein salziges Bisquit und trank dazu das Wasser, das den Gästen gratis zur Verfügung gestellt wird.
© Nikolaus Wyss
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