Donnerstag, 16. Februar 2017

Al Imfeld gestorben

Mit Al Imfeld in Ghana 1999
Al Imfeld war ein bescheiden gebliebener Ermutiger, geübt im Umgang mit Enttäuschungen und Ausgenütztwerden, ein priesterlicher Spezialist und Ratgeber in fast allen Lebenslagen und Dingen (von Afrika bis Malcom X, vom Playboy bis zum Vietnamkrieg, von Prostituierten an der Langstrasse bis zu Wole Soyinka in Nigeria, vom Napf bis in die Niederungen Zimbabwes, von Würsten bis zum Zucker, von der Poesie bis zur Ökonomie). Er lebte äusserst ungesund, trug alle Viren dieser Welt mit sich herum und litt immer unter irgendwelchen Einschränkungen. Gerade dies verlieh ihm eine Aura der Unsterblichkeit. Umso grösser der Schock, als jetzt das Unvermeidliche doch noch eintraf.
Ich erinnere mich an unsere gemeinsamen Aufenthalte in Ghana und an einer Kasseler Documenta in den 90er Jahren. Er wirkte dabei so bescheiden und geradezu unbeteiligt, und gleichwohl wusste er alles in einem Masse, bei welchem ich in meinen Bemühungen weit auf der Strecke blieb.
Sträflich sein liederlicher Umgang mit seinen eigenen Texten. Wenn ich nicht schon vorher gewusst hätte, was REDIGIEREN heisst, bei ihm hätte ich es lernen müssen. Seine Beiträge für das Tages-Anzeiger Magazin in den 80er Jahren musste ich geradezu ausbeineln und neu zusammensetzen. Er galt als aufwändiger Autor. Doch statt beleidigt zu sein wegen meiner Eingriffe, zeigte er seine Freude: da war einer, der sich mit seinen Überlegungen befasste. Für ihn war das Ausdruck gemeinsamen Ringens um einen guten Text. Vermutlich kostete ihn das dann später aber seine Heimat bei der WOZ. Die schlecht bezahlten Redaktoren fanden wohl einfach keine Zeit, seine Beiträge in eine lesenswerte Form zu bringen.
Ich bewunderte ihn für seinen Umgang mit Rückschlägen und Enttäuschungen. Immer obsiegten Zuversicht und Hoffnung. Er freute sich auf die nächsten Projekte und Vorhaben, welche er mit verbissenem Fleiß vorantrieb, er freute sich aber auch auf die Zusammenkünfte im Rotary-Club und auf die Suppe vom nächsten Samstag, wenn er wieder in seiner schmalen Küche Gäste versammeln konnte und Rosemarie sich ins Zeug legte mit allerlei überraschenden Kombinationen von Kräutern, Käsen, Dörrfrüchten, Einlagen, Ergänzungen - und immer mit Wein. Anstelle künftiger Suppen tritt nun das Paradies. Ich bin überzeugt, dass er dort grosszügig empfangen wird. Verdient hat er es sich hier auf Erden. 
Ich entbiete aber auch meinen allergrössten Respekt Rosemarie Christen, die ihn in den letzten zehn Jahren gemanaged hat. Dank ihr konnte er auch im respektablen Alter seine Wirkung entfalten. Ich kondoliere ihr ebenso wie seinen familiären Angehörigen von ganzem Herzen.

© Nikolaus Wyss

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