Sonntag, 1. April 2018

Auf der Bettkante


Ganz unten im Büchergestell meiner Mutter befand sich ein Buch aus der Feder eines amerikanischen Arztes, der sich intensiv mit der weiblichen Sexualität befasst hatte. Es war wohl ein Besprechungsexemplar, vom Verlag der Redaktorin gratis zugeschickt in der Hoffnung, es fände in den Zeitungsspalten der Frauenseite seinen Niederschlag. Ich entdeckte das Buch, als ich vielleicht zwölf war, und ich las die einschlägigen Stellen so viele Male, bis ich sie mehr oder weniger auswendig wusste. Meine Unterhosen wurden regelmässig feucht, wenn von den unabdingbaren Vorbereitungen auf die erste Nacht die Rede war. Ich las auch, dass die Frau ihre Periode bei der Wahl des Hochzeitstages beherzigen solle. Blut erschwere wegen der dadurch erwirkten psychischen Belastung des Mannes in den meisten Fällen die Begattung. Ich erfuhr auch von der Notwendigkeit, sich vorher gründlich zu reinigen und sich vor der Begierde des Mannes, die sich in einem mächtigen, steifen Glied manifestiere, dem sich die Frau im entscheidenden Moment ausgesetzt sehe, in Acht zu nehmen. Es sei wichtig, etwas Widerstand gegenüber den Zudringlichkeiten des Partners zu leisten, um nicht als Flittchen zu gelten. Das Buch hielt auch Tipps bereit, wie man den peinlichen Augenblick der schieren Nacktheit mit einer unverfänglichen Konversation oder unter Zuhilfenahme eines Bettlakens überbrücken könne. Auch die Kussarten und die erogenen Zonen wurden aufgezählt und die Tatsache angesprochen, dass eine Jungfrau das erste Mal wohl kaum Spass empfinden wird, darüber hinaus jedoch besorgt sein sollte für Ersatzwäsche oder zumindest für ein Frotteetuch, sollten sich nach dem Sexualakt Blutspuren auf dem Leintuch abzeichnen, was eigentlich ein gutes Zeichen sei. Dieses Blut, im Gegensatz zum anderen, sei der Beweis, dass die Frau zum Zeitpunkt des ersten Males noch Jungfrau gewesen sei. Des Weiteren gehörten zu den Tipps auch Angaben zum geeigneten Mobiliar. Der Doktor empfahl, sich ein Bett anzuschaffen, das am Fussende auf der Höhe der Matratzenoberkante eine stabile Verstrebung aufweise, damit der kopulierende Gatte dort seine Füsse abstützen könne und so über genügend Stosskraft verfüge, seinen Pflichten zu obliegen.

Ich erwähne dies alles nur, weil mir noch heute jedes Mal obige Lektüre in den Sinn kommt, wenn ich auf Inseraten oder in einem Geschäft eines Bettes ansichtig werde. Verfügt es über eine stabile Fusskante? Oder droht dem Käufer ein Desaster, weil er ohne Stützhilfe auf der abschüssigen Matratze abgleiten und so den Geschlechtsakt vermasseln könnte?

1 Kommentar:

Unknown hat gesagt…

in dem Alter entdeckte ich Lady Chatterly im Bücherschrank....