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Dienstag, 26. Oktober 2021

Eine noch wenig erforschte Nebenwirkung einer Covid-19-Impfung

 Ich wollte gerade das Haus für ein paar Einkäufe verlassen, als mich im Vorgarten drei Damen abpassten, eingepackt in blauer, medizinischer Schutzkleidung. Ihre Haare waren mit einer Gaze-Haube aus derselben Farbe überzogen, und sie steckten mit ihren Schuhen in Wegwerfschlüpfern. Sie trugen, wie wir alle hier, Mundschutz, darüber hinaus hatten sie Latex-Handschuhe übergestreift. An einer der Damen hing ein Stethoskop über der Brust, die andere hatte eine Styropor-Schachtel bei sich, in welcher sich kühl zu lagernde Medikamente erahnen liessen. Die dritte führte Protokoll und notierte pausenlos, was es zu notieren gab. Auf der anderen Strassenseite wartete ihr Auto mit laufendem Motor. Der Chauffeur blieb am Steuer sitzen. Die Wortführerin stellte sich mit Doctora Gonzalez vor. Mit von der Partie waren Doctora Gutierrez und Enfermera Maria.

Ob ich denn Don Nicolás sei, der sich kürzlich einer Corona-Schutzimpfung unterzogen habe? Ich bejahte. Dann fragten sie mich, ob es die erste oder zweite Injektion gewesen sei und um welches Fabrikat es sich denn gehandelt habe. Ich gab bereitwillig Auskunft. Dann fragten sie mich nach meiner Krankenkasse. Auch diese Frage beantwortete pflichtbewusst. Doctor Gonzalez meinte darauf, ihr Team sei hier für eine Nachuntersuchung, ob ich denn dafür Zeit hätte, es dauere nicht länger als 20 Minuten. Sie hätten auch ein paar Vitaminpräparate, damit es mir bald wieder gut gehe.

Ich reagierte belustigt, weil es mir ja gar nicht schlecht ging. Ich bat die drei Frauen herein, und sie wiederum baten mich, mich mit geöffnetem Hemd auf dem Sofa des Wohnzimmers hinzulegen. Frau Gonzalez meinte, mein Eau de Toilette sei von besonderer Qualität, und ich gab ihr zu verstehen, dass es sich dabei um Bleu de Chanel handle. Sie nickte bedeutungsvoll. Die beiden anderen Damen verlor ich vom Sofa aus aus meinem Blickfeld. Mir schienen sie aus mir nicht ersichtlichen Gründen sehr geschäftig. Die eine erkundigte sich nach der Toilette, die andere stiess die Tür zur Küche auf und fragte, ob sich sonst noch jemand im Haus befinde. Doctor Gonzalez hörte meinen ganzen Brustkorb ab und meinte, dort zwischen Leber und Milz rassle es. Sie entnahm der Styropor-Schachtel eine Pille und bat mich, diese zu schlucken, was ich ordnungsgemäss tat.

Es muss Stunden später gewesen sein, als ich mit brummendem Kopf erwachte und unsere gute Stube kaum wiedererkannte. Das Glas der Vitrine war zerschlagen, das Silberbesteck, die vielen Nippes und Erinnerungsgegenstände waren alle weg. Auch der Fernseher war verschwunden und mein iPad und mein iPhone. Auch das Geld und die Kreditkarten aus der Brusttasche meines Hemdes. Ich nahm alles nur durch einen Filter wahr und fühlte mich ausserstande, in diesem Moment irgendeine sinnvolle Handlung zu vollziehen. Ich glaube, ich grinste nur einfältig vor mich hin. Polizei anrufen? Ohne Handy nicht möglich. Mühsam hangelte ich mich zu meinem Schlafzimmer im zweiten Stock empor und musste dort feststellen, dass diese Frauen gründlich gearbeitet haben. Die Garderobestange war leer. Sämtliche Hemden, Hosen und Vestons fehlten. Der Rest der Wäsche lag verstreut auf dem Boden. Der kleine Safe war offen und leergeräumt.

* * *

Die obige Geschichte stimmt mit der gelebten Realität bis zu dem Moment überein, als mir Frau Gonzalez die Pille verabreichen wollte, die mich in einen langen Tiefschlaf versetzt hätte. Der Rest der Geschichte jedoch entspringt meiner Fantasie und ist lediglich eine Vermutung, denn genau zum fraglichen Zeitpunkt tauchte mein Wohnpartner Johan auf und fragte mich, ob ich diese eifrigen Damen denn kenne. Ich antwortete etwas verwundert, sie hätten sich vorgestellt und seien hier für eine Nachuntersuchung. Johan jedoch liess nicht locker und verlangte, während ich noch mit entblösstem Oberkörper auf dem Sofa lag, nach Ausweisen der Damen, worauf sich ein ziemlich lautes Wortgefecht entwickelte, in dessen Verlauf die Frauen sich bei mir beklagten, wie eklig dieser Mensch sei. Und plötzlich ging alles ganz schnell. Sie packten das Styropor-Köfferchen, rannten zur Tür und verliessen das Haus in aller Eile. Aus dem Fenster sah ich noch, wie sie zum Auto eilten und wohl froh darum waren, dass der Fahrer den Motor laufen gelassen hatte. 

 @Nikolaus Wyss

 

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Donnerstag, 21. Mai 2020

ABSCHIEDSESSEN - Aus der Serie "Bevor mir die Zähne ausfallen"

In der kleinen Serie BEVOR MIR DIE ZÄHNE AUSFALLEN geht es diesmal um einen Abschied. Giuliana aus Rio absolvierte ein Praktikum in einer Logistik-Firma draussen am Flughafen, als die Covid-Pandemie alles stilllegte. Der Staatspräsident verordnete eine Quarantäne, und Giuliana verzichtete auf ihren Rückflug in die Heimat. Stattdessen zog Nico, der Geschäftsführer dieser Logistik-Firma, bei uns ein, worauf die beiden zusammen und wir alle zu viert diszipliniert im Home Office-Modus eine gute Zeit verlebten. Zwei Monate später bot sich Giuliana wieder eine Chance, nach Rio zurückzureisen. Diesmal nahm sie die Möglichkeit wahr und verursachte damit uns allen Abschiedsschmerzen, die ich mit einem letzten Abendmahl zu lindern versuchte. Es gab mit Speck eingerollte Tofu, Tomatenspaghetti und Mangold. Dazu einen Salat.
Doch nicht nur die Nachspeise versüsste das Abschiedsessen. Es kam gleich noch zu einer süssen Überraschung. Naja, so richtig überrascht hätten wir eigentlich nicht sein müssen. Und diese Überraschung unterliegt erst noch einer strengen Prüfung, die eben erst grad angelaufen ist.

 

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Donnerstag, 16. April 2020

FELLINI AUF DEM HAUSDACH - Aus meiner Serie "Bevor mir die Zähne ausfallen"

Wir Alten haben die Tendenz, die Aktivitäten der Jungen zu bewerten und oft auch in Frage zu stellen, besonders wenn ihr Verhalten von den eigenen Gewohnheiten und Vorstellungen abweicht, oder wenn es sich bei dieser Jugend um Menschen handelt, die selber erst einen Platz auf dieser Welt noch finden müssen, weil sie anders empfinden und anderes wollen, als die Gesellschaft ihnen vorgibt. Ich habe das Glück, hier in Bogotá, Kolumbien, ein paar Repräsentanten dieser Generation frei Haus zu haben und damit jeden Tag ein bisschen an die Filme des italienischen Regisseurs Federico Fellini erinnert zu werden, der sich mit seinen opulenten Inszenierungen dekadenter Gesellschaften und sexueller Ausschweifungen in den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts einen Namen gemacht hat. Dieses kleine Video hier ist sozusagen ein "Making of.." und guckt hinter die Kulissen eines Drehs für einen Rap-Song, den mein Wohnpartner Johan Danilo "Lomaasbello" schon vor einiger Zeit aufgenommen hat. Das Stück heisst "Shutup", und ist momentan noch als Tonspur auf Youtube zu hören. Demnächst soll aber ein veritabler Video-Clip des Songs die Welt erobern. Die meisten Aufnahmen entstanden an einem Sonntag im Februar 2020 bei uns auf dem Dach, und es wurde ein wahrhaft ausserordentliches Ereignis, dem die vergelsterte Katze nicht zuschauen mochte. Sie verkroch sich einen Stock tiefer die ganze Zeit unter einem Tisch und vermeldete am Abend Erleichterung, als endlich alle aus dem Haus waren.

 

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Montag, 23. Januar 2017

Jonatan Misterioso


Einer der paar Jonatans, an welche ich mich kaum mehr erinnere

Seit meiner Ankunft vor ein paar Wochen bekomme ich hier in Bogota täglich zwei bis drei Anrufe von Leuten, die wissen wollen, wo Jonatan stecke.
Jonatan? Was für ein Jonatan? Kenne ich überhaupt einen? Wie kommen die darauf, dass ich einen Jonatan kennen müsste? Habe ich irgendwo Spuren hinterlassen, die zu einer solchen Annahme veranlassen? Am Anfang war ich der Überzeugung, keinen einzigen Jonatan zu kennen. Erst nach dem zwölften Anruf fielen mir ein paar Jonatans ein, denen ich bei früheren Besuchen Kolumbiens begegnet sein mochte. Mit keinem mehr bin ich noch in Kontakt, keiner überlebte in meinem Adressbüchlein.
Da war doch ein Jonatan in Cucuta, der Stadt nahe der venezolanischen Grenze. Er half mir die Stadt zu entdecken und schärfte mir auch ein, wo ich zu gehen und welche Strassen ich zu meiden habe. Ich wollte ihn zum Dank für seine Hilfe zum Abendessen einladen. Erschienen ist er jedoch nicht. Am übernächsten Tag übergab man mir an der Reception ein zerknülltes Papier. Jonatan entschuldigte sich darin. Er sei nicht zum Essen erschienen, weil er kurz vor unserer Abmachung in einer Bar gelandet sei und über den Durst getrunken habe. Am frühen Morgen des folgenden Tages hätte ihn die Polizei in einem Strassengraben entdeckt.
Wenn ich mich recht entsinne, begleitete mich ein anderer Jonatan in den Zoo von Barranquilla. Sein Vater war Dächlikappen-Produzent und bediente mit seinen Produkten die Fan-Gemeinden verschiedener Fussballclubs. Ich fragte Jonatan, ob ich mir aus seiner elterlichen Produktion auch eine Gorra, so heisst hier eine solche Kappe, erstehen könne. Er versprach, mir das nächste Mal eine mitzubringen. Ich weiss nicht mehr warum, doch es kam nicht dazu.
Ein weiterer, den ich jetzt Jonatan nenne, bei dem ich aber beim besten Willen nicht mehr weiss, ob er wirklich so heisst, war ein junger Assistenzarzt aus Santa Marta. Wir waren seit geraumer Zeit in Email-Kontakt, und als er erfuhr, dass ich für ein paar Tage im benachbarten Taganga an der karibischen Küste Urlaub machte, entschloss er sich, mich an einem seiner freien Nachmittage persönlich kennenzulernen. Die Nachbarin des Hauses, in welchem ich wohnen durfte, beobachtete diesen Besuch und meldete ihn sofort den Hausbesitzern in Bogotá. Diese verboten mir darauf in einem dramatisch verlaufenden Telefongespräch, in Zukunft Besuche in ihrem Hause zu empfangen. Es sei dort schon einmal einer umgebracht worden. Dieses Verbot ohne Kenntnisse der genaueren Umstände verletzte mich in meinem Stolz. Ich entschloss mich, noch gleichentags Taganga in Gesellschaft dieses Doktors zu verlassen in der festen Absicht, dorthin nie mehr einen Fuss zu setzen.
Wie wahrscheinlich ist es, dass die unermüdlichen Anrufer einen dieser Jonatans meinen.
Doch da gab es noch einen, der durchaus in den Fokus von Ermittlern geraten sein könnte. Ein Architekturstudent mit blau gefärbten Haarsträhnen. Dem Marijuana-Konsum war er nicht abhold. Wegen seiner sexuellen Orientierung hatte er sich mit seinen Eltern überworfen, worauf sie jegliche Geldüberweisung an ihn stoppten. Jonatan musste sein Studium unterbrechen. Er lebte in einer Wohngemeinschaft ganz im Norden der Stadt, doch der Hausbesitzer nahm ihm den Schlüssel weg und liess ihn nicht mehr rein, weil dieser ihm die Miete schuldete. Jonatan bat darauf bei mir um Unterschlupf. Ein sympathischer aber wilder Bursche, der mir mit der Zeit etwas happig wurde. Ich war jedenfalls froh, als er sich Tage später entschloss, zu seiner Tante nach Medellin zu fahren. Ich schenkte ihm noch das Busbillett, seither ist er aus meinem Gesichtsfeld verschwunden.
Doch, das muss der sein. Was wohl aus ihm geworden ist? Wieso suchen sie ihn? Hat er etwas angestellt, etwas unterschlagen? Müsste ich mich um ihn kümmern und mich auf die Suche machen? Ihn allenfalls vor seinen Häschern warnen?
Nein, einen Jonatan kenne ich wohl besser nicht.


© Nikolaus Wyss

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Samstag, 7. Januar 2017

Bis auf die Unterhosen


Da meine teuren Tommy Hilfiger-Jeans meine Haut im Schritt reizen, ging ich gestern zu Arturo Calle, einem kolumbianischen Herrenmode-Geschäft mit Filialen überall im Land und darüber hinaus in Costa Rica, El Salvador und Panama, und erstand mir gegen weitere Reizungen schöne, weich-flauschige Boxer-Unterhosen. An der Kasse, und deshalb erzähle ich dies überhaupt, fragte mich die junge Dame nach der Nummer meiner ID, nach meiner Adresse und nach meiner Telefonnummer. Das scheint hier üblich zu sein. Alle Käufe werden hier fein säuberlich im System festgehalten, ob im Supermarkt oder bei Juan Valdez, der kolumbianischen Variante von Starbucks. Und auf der Quittung steht dann dein Name, den du an der Kasse gar nie genannt hast. Denn die Registrierkkasse liess ihn sich schnellschnell und automatisch von der Einwohner-Datenbank des Landes geben.

So wird jeder Einkauf zum Staatsakt. Jeder Konsum wird registriert. Und wenn schon der kolumbianische Präsident und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos von meinem Boxershort-Einkauf und von meinen Konsumgewohnheiten erfährt, so scheint es mir das Mindeste zu sein, auch meine Bekannten und Freunde davon wissen zu lassen. Übrigens hinterliess ich eine falsche Telefonnummer. Das geht auch. Das war meine kleine, ohnmächtige Intervention gegen meine Entkleidung bis auf die Unterhosen. 

© Nikolaus Wyss

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