Dienstag, 24. Januar 2017

Bici en Bogota



Die letztjährige Tour-de-Suisse gewann der kolumbianische Velorennfahrer Miguel Angel Lopez aus der Astana-Mannschaft. Er schaffte zwar keine Tagessiege, musste aber auf seiner Fahrt durch die Schweiz auch keine Federn lassen, was auf ein grosses Herz und eine starke Lunge schliessen lässt. 2014 heimste Nairo Quintana, ein anderer kolumbianischer Rennfahrer mit starker Konstitution, beim Giro d’Italia den Gesamtsieg ein. In den grossen europäischen Velo-Rundfahrten tun sich viele Kolumbianer besonders in den Bergsiegen hervor. Ihnen geht einfach der Schnauf nie aus: bei der Tour de France 1985/87 Luiz Herrera (Bergsieger auch beim Giro 1998), 2000 Santiago Botero, 2007 Mauro Soler und 2013 Nairo Quintana, der spätere Giro-Gewinner. In Italien gewannen überdies folgende Kolumbianer die Bergsiege: 1997/99 José Jaime Gonzalez, 2001/03 Fredy Gonzalez und 2014 Julian Arredondo.
Eine Ahnung von deren Trainingsbedingungen kann ich jetzt mit meinem neuen, zusammenfaltbaren Fahrrad gewinnen. Hier in Bogota auf 2600 Metern über Meer herrscht dünne und mit Autoabgasen durchtränkte Luft. Es gibt zwar Velowege, ciclovias genannt, die aber plötzlich enden oder dann von Fussgängern, Abfallbergen und aufgerissenen Strassen unterbrochen werden. Oder man passt sein Tempo dem Autoverkehr an, schlängelt sich durch die dieselverrussten Strassen und hofft dabei, nicht umgefahren zu werden – die Abhänge steil hinauf und im Schuss hinunter, auch hier immer mit Gottvertrauen.
Was ich eigentlich sagen möchte: gerade in einer so riesigen, chaotischen Stadt vermittelt einem das Velofahren ganz besondere Glücksmomente der Überwindung, der Zielerreichung, der Freude, schneller als Taxis und Busse unterwegs zu sein, des Abenteuers, des Gewichtsverlustes. Man spürt sein Herz und seine Lunge, man ergötzt sich an den kleinen Szenen am Strassenrand, besonders aber entdeckt man allerlei Läden, an denen man im Taxi achtlos vorbeigefahren wäre, die aber womöglich gerade das feilbieten, wonach man schon lange gesucht hat.
Ich erlebe hier die Pike, von welcher aus die kolumbianischen Bergflöhe ihre Siegeszüge in Europa antreten. Mir allerdings reicht es, nach meinen Expeditionen im Grossstadt-Dschungel heil und zufrieden wieder den Heimweg gefunden zu haben.

© Nikolaus Wyss

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